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Stitt nahm nach seinem Abgang bei Miles am 30. Januar eine unveröffentlichte Verve-Session auf (die obige Scheibe enthält die erwähnte – mir unbekannte – Verve-Session vom Juni). Im März folgte ein Streicher-Album mit dem Titel The Sensual Sound of Sonny Stitt, das Ralph Burns für ihn arrangiert hat.
Dann folgte das oben kurz besprochene Live at the D.J. Lounge mit Johnny Board. Am 2. und 3. August folgten weitere unveröffentlichte Verve-Sessions (Lord und Bruynicnkx kenne die Besetzung nicht).
Dann traf Stitt in Chicago auf seinen alten Gefährten Gene Ammons. Das Album, das am 26. August 1961 mitgeschnitten wurde, erschien zuerst bei Argo als Dig Him! (LP 697), später dann erschien es bei Prestige als We’ll Be Together Again. Ein paar weitere Ammons-Alben mussten später an Prestige ausgehändigt werden, weil Ammons da einen Exklusiv-Vertrag hatte, den er mit den Argo-Releases gebrochen hatte.
Ende der 60er, als Ammons schon für mehrere Jahre im Gefängnis sass, erschien das Album dann bei Prestige mit obigem Cover. Die beiden Tenoristen – Stitt spielt nur in „My Foolish Heart“ und „Time on My Hands“ Altsax – werden von John Houston (p), Buster Williams (b) und George Brown (d) begleitet. Zum Auftakt spielen sie „Red Sails in the Sunset“, ein Stück, das nach Cowboy-Song klingt und mit einem tollen Rumpel-Groove unterlegt wird. Ammons‘ schwererer Sound kontrastiert toll mit Stitts leichterem, agilerem Spiel. Auch im zweiten Stück, „But Not for Me“, steht Ammons an erster Stelle (er zitiert „And the Angels Sing“) und Stitt folgt.
Das nächste Stück heisst „A Pair of Red Pants“, ein äusserst relaxtes Stitt-Original. Stitt ist – wie überhaupt in dieser Session – nicht richtig on, aber er klingt dennoch verdammt gut. Dieser Sound, die Lockerheit, die Grossspurigkeit… das mache ihm erst mal einer nach! Der Groove – das beobachtet auch Mark Gardner in seinen Liner Notes für die Prestige-Ausgabe – erinnert ziemlich deutlich an Al Cohn und Zoot Sims, und das ist einigermassen erstaunlich, aber eben doch wieder nicht. Al und Zoot gehörten zu den brothers, den weissen, aus dem Woody Herman-Umfeld stammenden, von Lester Young geprägten Tenoristen, die einen leichten Stil pflegten, der gewisse Bebop-Elemente mit einem leichteren, fliessenden Spiel vermählte, das auf die Swing-Ära zurückgriff. Ammons war – einer der wenigen schwarzen – auch mal in Hermans Band und sowohl er als auch Stitt waren Pres-Männer, die ihren Ton aber dünkler schattierten als die brothers, ihre Linien in zupackender phrasierten. Aber die gemeinsamen Wurzeln sind – gerade in diesem Stück – nicht zu überhören! Der tolle shake kommt übrigens hier von Ammons und Mark Gardner schreibt dazu: „Dig Jug’s delightful shake (à la Dexter Gordon)“ – auch da: Stitt hat den shake wohl von Ammons, Gordon sass – kaum aus den Windeln – neben diesem in der Eckstine-Band…
Jug ist grossartig auf „We’ll Be Together Again“, entspannt aber doch mit einem gewissen Drang im Ton (etwa ab 1:16). Das ist die grosse Kunst des Balladenspiels! „A Mess“ ist dann in der Tat etwas messy… ein mittelschneller Blues von Stitt mit sehr starkem Spiel von der Rhythmusgruppe und Sax-Soli, die viel Vergnügen bereiten. Es geht weiter mit dem „New Blues Up an Down“, einem Remake der Parade-Nummer der alten Ammons/Stitt-Band (1951 schon für Prestige aufgenommen). Das Thema wurde etwas umgebaut, vor allem anders rhythmisiert – aber die Soli und exchanges stehen hier im Mittelpunkt, und die sind ein Feuerwerk von Ideen.
Auch „My Foolish Heart“ haben die Ammons und Stitt schon früher zusammen gespielt. Ammons‘ Solo ist grossartig, Stitt kontrastiert ihn auf dem Alt – beider Spiel ist überreif mit Gefühl.
„Autumn Leaves“ wird von einem hübschen Bass-Intro von Buster Williams eröffnet, bleibt dann aber doch sehr nett. „Time On My Hands“ wird ebenfalls in einem mittelschnellen Tempo präsentiert, die Rhythmusgruppe spielt eine 2/2-Begleitung, für die bridge und die Soli wechselt sie in 4/4. Ammons soliert am Tenor, Stitt folgt am Alt. Frank Wess‘ „Water Jug“ (das einen Teil des Themas von „Broadway“ ausleiht) dauert nur gerade zweieinhalb Minuten – und das ist symptomatisch für das ganze Album, dem man einen etwas längeren Atem gewünscht hätte, mehr Freiraum für die beiden Haupt-Attraktionen. Die längste Nummer des Albums ist „My Foolish Heart“ mit knapp über fünf Minuten, es finden sich zehn Stücke auf 41 Minuten.
Aber das hier war erst der Auftakt, es sollte besser werden!
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