Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Sonny Stitt › Re: Sonny Stitt
Dann versuch ich das doch auch mal…
Fantastisch sind wie erwähnt Stitts frühe Prestige-Sessions, ganz besonders die Quartett-Aufnahmen mit Bud Powell (sowie Curly Russell und Max Roach). Stitts Ton am Tenor gehört da zum allerschönsten, den man je zu hören kriegen wird. Satt, elegant, geschmeidig – er greift wie in der Bebop-Ära für Tenoristen üblich, weiter zurück in die Swing-Ära, entwirft seinen eigenen Stil, der zwar auf Lester Young beruht aber auch von einem viel robusteren Ton lebt.
Ebenfalls toll sind manche Beiträge Stitts auf andere klassischen Bop-Sessions, etwa mit Kenny Dorham, Fats Navarro und ganz besonders mit Dizzy Gillespie für Savoy.
Mit Gillespie traf Stitt sich in den 50er Jahren einige Male, es entstanden die Alben „Duets“ (Gillespie entweder mit Stitt oder Sonny Rollins), „Sonny Side Up“ (Gillespie mit Stitt und Rollins), „For Musicians Only“ (Gillespie mit Stitt und Stan Getz) und „Modern Jazz Sextet“ (die Gruppe bestand überdies aus John Lewis, Skeeter Best, Percy Heath und Charlie Persip).
In seiner Verve-Zeit (die gab’s nicht wirklich, aber eben jene Jahre um 1956/57) spielte Stitt zudem auch mit Oscar Peterson (At Newport) und nahm in Paris an den Sessions für „Les Tricheurs“ mit einer tollen Jazz at the Philharmonics Gruppe teil. Aus dieser Zeit stammen zudem die beiden fantastischen Alben „New York Jazz“ (1956, mit Jimmy Jones, Ray Brown und Joe Jones) sowie „Only the Blues“ (1957, mit Roy Eldridge, Oscar Petersons Trio mit Herb Ellis und Brown, sowie Stan Levey).
Erwähnenswert sind generell die Sessions mit Gene Ammons, seien es frühe oder später ganze Alben. Die beiden waren ähnlich kompetitiv und liess man sie gewähren, flogen meistens die Funken! Nicht gewähren liess man sie auf „We’ll Be Together Again“ von 1961 – zu kurze Stücke, da geschieht wenig. Gut sind auch die beiden Volumes von der Left Bank Jazz Society („God Bless Jug and Sonny“ und „Left Bank Encores“ heissen die Fantasy CDs, aufgenommen 1973), auf dem Ammons-Twofer „Legens of Acid Jazz“ findet sich das 1971er Album „You Talk That Talk!“, auf dem sie von Leon Spencer, George Freeman und Idris Muhammad begleitet werden. Ebenfalls gut ist „Soul Summit“ (mit Jack McDuff und Charlie Persip, 1961). Die Klassiker sind wohl neben den frühen Sessions besonders die beiden Verve-Alben „Boss Tenors“ (1961, mit John Houston, Buster Williams, George Brown) und „Boss Tenors in Orbit“ (1962, mit Stitts Working Band Don Patterson, Paul Weeden, Billy James).
Die Zusammenarbeit mit Dexter Gordon war ebenfalls toll. Ein Blue Note-Album mit Stitts eigener Band lief allerdings völlig aus dem Ruder, nur ein Stück wurde davon veröffentlicht (zu hören auf Gordons Blue Note Box oder der Blue Note Compilation „The Lost Sessions“).
Art Blakeys „A Jazz Message“ (Impulse 1963) vermochte mich bisher nicht wirklich zu überzeugen, etwas zahm fand ich’s, aber nachdem es neulich irgendwo (von wem, katharsis?) gelobt wurde, wollte ich’s eh mal wieder hören (wozu ich noch nicht gekommen bin).
Schön sind auch die Aufnahmen der Giants of Jazz von ca. 1971/72 (es existieren viele Radio-Mitschnitte aus Europa). Stitt fand sich da in Gesellschaft von Dizzy Gillespie, Kai Winding, Thelonious Monk, Al McKibbon und Art Blakey. Funktioniert trotz völligem Retro-Konzept und abgedroschenen Setlisten erstaunlich gut… sind eben alles grosse Meister und es bereitet schlicht Vergnügen, ihnen bei der Arbeit zuzuhören.
Die Aufnahmen vom Herbst 1960 mit Miles gefallen mir sehr gut. Stitt spielt entspannt, ist für Miles aber ein unergiebiger Partner, einer, der ihn nicht im geringsten fordert. Miles war es sowas von egal, wenn sein Saxer Solo um Solo technisch noch brillanter war – er suchte Musiker, die ihn mit neuen Ideen aus der Reserve lockten, ihm halfen, die Musik weiterzuentwickeln. Und genau das tat Stitt nicht. Das gute daran ist, dass Miles selbst in die Rolle des Antreibers gedrängt wird, die auf der März/April-Tournee noch von Coltrane ausgefüllt wurde, Miles hielt sich da stellenweise fast übermässig zurück, wohl auch weil er wusste, dass die Musik auch ohne ihn grossartig und spannend war. Im Herbst mit Stitt nun war es an ihm, die Spannung aufrecht zu erhalten, die Musik anzutreiben. Das tut er hervorragend und tat es auch 1961 mit Mobley weiterhin, während das zukünftige Wynton Kelly Trio entspannter und lockerer aufspielt als mit Coltrane, und dabei immer besser klingt, immer mehr „in the pocket“ ist, immer härter swingt.
Mit Art Pepper entstanden 1980 zwei Alben für Atlas, auf denen Stitt nominell der Leader war – sie sind beide in der „Hollywood Sessions“-Box von Pepper zu hören und sind sehr schön!
Was nun die Leader-Sessions nach der Prestige-Zeit betrifft – in Kürze:
Die Roost-Box von Mosaic besteht zwar aus 9 CDs, enthält aber wenn ich korrekt gezählt habe 15 Alben. Ich hab sie bisher mehr oder weniger am Stück einmal durchgehört und war sehr angetan, jedenfalls wesentlich mehr, als ich erwartet hatte! Stitt spielt viel Altsax (eher ein Minuspunkt für mich), aber die Musik ist konzentriert und das wird durchgehend deutlich. Stitt ist da zum Spielen und tut das auch in sehr guter Form, begleitet u.a. von Hank Jones (3 Alben) und Jimmy Jones (5 Alben) sowie Harold Mabern, Don Patterson, Dolo Coker (je 1 Album) und Alben in grosser Besetzung (arr. Johnny Richards bzw. Quincy Jones) sowie einem überraschenden Latin-Album mit Thad Jones und Chick Corea.
Die Verve-Alben hab ich oben schon teilweise angesprochen, ich möchte noch „Personal Appearance“ (1957) erwähnen, auf dem Stitt vom jungen Bobby Timmons begleitet wird.
1959 folgten nicht weniger als fünf weitere erwähnenswerte Alben für Verve: „Sits in with the Oscar Peterson Trio“ (mit Ray Brown und Ed Thigpen), „The Hard Swing“ (mit Amos Trice, George Morrow und Lennie McBrowne) und ganz besonders „Sonny Stitt Plays Jimmy Giuffre Arrangements“ (greifbar in zwei Ausgaben, die eine hängt noch ein Roost-Album als Bonus an). Stitt spielt da Musik, die Jimmy Giuffre ihm auf den Leib geschrieben hat – das Resultat ist grossartig und überraschend, die leicht kühlen Arrangements passen hervorragend, Stitt klingt frisch und spannend, das Ensemble besteht neben der Rhythmusgruppe (unter Jimmy Rowles, den zu hören stets eine Freude ist) aus ein paar Blechbläsern besteht (Jack Sheldon, Lee Katzman, Frank Rosolino, Al Pollen).
Zudem entstanden „Saxophone Supremacy“ und „Swings the Most“, beide mit Lou Levy, Leroy Vinnegar und Mel Lewis – und wie schon mit Stan Getz ein paar Jahre zuvor klingt diese Band auch mit Stitt hervorragend (es gibt die beiden Alben auf dem Fresh Sound Twofer „Don’t Call Me Bird“).
Dann Argo… „Burnin'“ mit Barry Harris hat Teja schon zu recht hervorgehoben! Es ist auf einem Fresh Sound Twofer mit „Sonny Stitt“ (beide 1958) zu hören, auf dem das Begleit-Trio unbekannt bleibt.
Ich habe zudem die Chess/Universal-Compilation „How High the Moon“, auf dem neben der Hälfte von „Burnin'“ auch die Hälfte von „Inter-Action“ (Cadet 1965, mit Zoot Sims) und „My Main Man“ (1964, mit Bobby Buster) zu hören ist. Eine seltsame Compilation, aber die Stitt-Tracks (die ich sonst nirgends habe) machen sie für mich lohnenswert!
Die beiden Alben mit Buster („Move On Over“ von 1961 und „My Main Man“) sind auch auf einem Jazz Beat-Twofer greibar – redbeans hat sich hier ausführlich über sie geäussert.
Prestige, 1962-72: eher durchzogene Jahre. Auf „Low Flame“, Stitts zweitem Twofer in der Legends of Acid Jazz-Reihe, sind die Alben „Low Flame“ (1962) und „Shangri-La“ (1964) zu hören, beide mit der Working Band (Don Patterson, Billy James, auf ersterem auch Gitarrist Paul Weeden) entstanden, beide gut. Auf „Night Letter“ ist neben dem schönen gleichnamigen Album (1963) mit Jack McDuff (und der etwas altbackenen Rhythmusgruppe Leonard Gaskin/Herbie Lovelle) auch das Album „Soul Shack“ (1969) zu hören, das Stitt mit Gene Ludwig, Pat Martino und Drummer Randy Gelispie präsentiert.
Der Twofer „Legends of Acid Jazz“ vereinigt zwei eher leichtere Alben von 1971: „Turn It On“ und „Black Vibrations“, beide mit Victor Jones, Melvin Sparks und Idris Muhammad. Orgel spielt auf dem ersten Leon Spencer, auf dem zweiten Don Patterson. Patterson ist auch auf beiden Alben der Twofer „The Boss Men“ (enthält ebenso „Night Crawler“, 1963 bzw. 1964 mit James) und „Legends of Acid Jazz Vol. 2“ (1968) zu hören. Letztere enthält die Alben „Funk You“, auf dem neben Stitt auch Charles McPherson, Martino und James zu hören sind, sowie „Soul Electricity“ mit Billy Butler und James.
„Brothers 4“ ist eine eher schwächere Session mit Grant Green, Patterson und James – die gleichnamige CD enthält meines Wissens die komplette Session, wie sie auf LPs aufgeteilt wurde, weiss ich grad nicht.
Sehr gut gefällt mir „Stitt Meets Brother Jack“, das 1962 mit Eddie Diehl, Art Taylor und Ray Barretto eingespielt wurde.
Zu den Höhepunkten jener Zeit zählen für mich auch die Aufnahmen mit Booker Ervin, die auf der CD „Soul People“ von Stitt, Ervin und Patterson zu hören sind (auch da hab ich grad nicht präsent, wie die ursprünglich erschienen sind).
Interessant ist „Pow!“ (1965) – für einmal eine Straight Ahead Session mit Kirk Lightsey (p) und Bennie Green (tb), sowie Herman Wright und Roy Brooks (gibt’s das auf CD irgendwo?). Ebenfalls gut gefällt mir der eigenartige Twofer „Goin‘ Down Slow“, auf dem das namensgebende Album mit Streichern (sowie Thad und Hank Jones u.a.) mit einem Quartett-Album mit Hampton Hawes, Lennie McBrowne und Reggie Johnson („So Doggone Good“, beide 1972) vereint ist.
Weiteres aus diesen Jahren: Sonny Stitt & The Top Brass (Atlantic 1962) halte ich nur für halbwegs gelungen, die Orgel von Perri Lee (who dat?!) ist grässlich, aber die Arrangements von Tadd Dameron und Jimmy Mundy sind toll und Stitt spielt gut.
Plays Bird (Atlantic) – hab ich als schön aber etwas blutarm in Erinnerung, höchste Zeit, das mal wieder zu überprüfen. Schwachpunkte: nur Altsax; logischerweise der direkte Vergleich mit Bird, dem Stitt eben doch nie standhalten kann, bei aller technischen Brillanz.
Impulse, 1963: „Now“ ist schön, aber mir gefällt die Battle mit Paul Gonsalves auf „Salt and Pepper“ wohl eine Spur besser. Eine etwas modernere Rhythmusgruppe (vielleicht sogar ein Organist? Gibt’s Gonsalves mit einem modernen Organisten? Oder überhaupt mit Orgel?) als Hank Jones, Al Lucas und Osie Johnson hätte der Begegnung allerdings bestimmt nicht geschadet (no disrespect für Hank Jones!).
Don Patterson! YEAH! Man höre „Just the Way It Was – Live at the Left Bank“ (Label M) von 1971, eine fantastische Live-Aufnahme mit Patterson und Billy James. Stitt spielt das Varitone, die Aufnahme riecht förmlich nach Knoblauch. Grossartig, dreckig, live und unverfälscht!
Cobblestone 1972: für mich vielleicht DER Höhepunkt von Stitts Karriere. Die beiden Alben „Tune Up“ und „Constellation“ mit Barry Harris, Sam Jones sowie Roy Brooks bzw. Alan Dawson. Zu hören auf einem 32Jazz- und später auf einem abgekupferten spanischen Twofer. Ist von Stitt mit Barry Harris die Rede, denke ich grundsätzlich an diese Aufnahmen!
Muse, 1972-82: mit Harris, Jones und Louis Hayes folgte das schöne „12!“, Jones und Brooks waren dann zugegen, als Stitt mit Joe Newman (Swing, Basie) und Duke Jordan (Bebop, Bird) ein wie erwähnt eigenartiges und am Ende eher schwaches Album namens „The Champ“ einspielte. Es folgten Alben mit Jimmy Heath („Mellow“), Ricky Ford („Sonny’s Back“) sowie weitere Quartett-Alben, allesamt mit Barry Haris: „My Buddy“, „Blues for Duke“ und „In Style“. 1982 gab’s dann noch zwei Sessions (eine im Quartett mit Junior Mance, die andere im Quintett mit Bill Hardman und Walter Davis), von denen ich nur das kenne, was auf der 32Jazz-CD „The Last Sessions, Vols. 1 & 2“ zu hören ist. Sie sind erkennbar schwächer als die vorangegangenen Muse-Alben, die insgesamt einen wunderschönen Abschluss von Stitts riesiger Diskographie bilden.
Eine kleine Warnung möchte ich vor der Compilation „Autumn in New York“ von DA Music aussprechen. Nicht, dass die Musik schlecht wäre, aber die Session mit Howard McGhee ist unvollständig und es gibt schlicht zuviel gute Alben von Stitt, als dass ich diese CD empfehlen könnte.
Mit Art Blakey gab’s übrigens 1975 noch eine Wiederbegegnung, „In Walked Sonny“ (Sonet, mit Bill Hardman, Dave Schnitter, Walter Davis und Chin Suzuki). Im selben Jahr entstand (ebenfalls für Sonet) „The Bop Session“, auf der Stitt neben Gillespie, Percy Heath, Hank Jones, John Lewis und Max Roach zu hören ist. Die beiden hab ich irgendwo vergraben, kann mich nicht mal mehr erinnern, ob ich sie schon mal angehört habe… das ist also keine Warnung aber auch keine Empfehlung, sondern eine blosse Erwähnung.
Nachdem dieser Post etwa zehnmal so lange gebraucht hat wie geplant:
Sonny Stitt NYC July 6, 1976, Photo: Tom Marcello
the essential Sonny Stitt (according to gtw, natürlich):
– Stitt’s Bits: The Bebop Recordings, 1949-1952 (Prestige/Fantasy, 3CD)
– Sonny Side Up (Verve, 1957 – Dizzy Gillespie mit Sonny Stitt & Sonny Rollins)
– Burnin‘ (Argo, 1958)
– Boss Tenors in Orbit (Verve, 1962 – mit Gene Ammons)
– Just the Way It Was – Live at the Left Bank (Label M, 1971)
– You Talk That Talk (Prestige, 1971 – mit Gene Ammons)
– Tune Up + Constellation (Cobblestone, 1972)
PS: die Lord Nelson & His Boppers Session muss man wohl auch noch erwähnen… weitere tolle klassische Bebop-Aufnahmen mit Milt Jackson… kenn ich nicht komplett, glaube ich (nur was davon im Bags Proper-Set zu hören ist).
Ein Monster-Post für einen Monster-Saxer!
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba