Re: Latin Jazz

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gypsy-tail-wind
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vorgartenmhh, ich wusste schon vorher nicht so richtig, ob ich einspruch erheben soll… all das, was man da zur jazznähe der kubanischen musik anführt, kann man auch, teilweise im verstärkten maße, über die brasilianische sagen: die afrikanischen, europäischen und indigenen einflüsse, die je nach region verschiedene vermischung, die ausstrahlung, die zahlreichen flirts us-amerikanischer und europäischen jazzmusiker mit aspekten der brasilianischen musik… bossa nova ist sicherlich ein sonderfall, aber es gibt ja die instrumentalmusik, die zahlreichen klaviertrios (zimbo usw.) und meirelles…

ist das was eigenes oder fällt das unter latin? bin mir nicht sicher. wäre aber mal, außerhalb vom riesenthread „brasilianische musik“, ein eigenes thema…

Ich bin mir wie gesagt auch überhaupt nicht sicher, fasse Deinen Post daher auch gar nicht als Widerspruch auf.

Falls jemand ein paar gute Lektüre-Hinweise in die Richtung hätte wäre ich jedenfalls dankbar, muss mal die Liste am Ende des Wiki-Artikels zur kubanischen Musik durchschauen.

Die Tendenz hier im Forum scheint entweder zu sein, konkrete (Jobim, Gilberto, Aracy) Threads zu eröffnen oder den allgemeinen („brasilianische Musik“) zu lassen und nicht „Sub-Threads“ zu starten, ich weiss ehrlich gesagt auch gar nicht, wie das am schlausten gehen sollte, das Thema aufzuspalten.

vorgartenja, vor allem die darin gepostete best-of-brazil-liste des brasilianischen rolling stone ist sehr interessant und vieles davon dürfte selbst kennern hierzulanden unbekannt sein. die COISAS von moacir santos, die ich in meinem bft vorgestellt habe, kommt immerhin auf 23, getz/gilberto nur auf 70.

Ich hab aus der Liste erst sechs Alben: 11, 29, 47, 58, 70, 83.
Allerdings kann ich MPB bisher kaum was anfangen (kann auch das nicht ausdifferenzieren…). In Richtung Bossa und Samba will ich aber auf jeden Fall noch mehr haben, aber das gehört nach meinem Empfinden eben nicht wirklich in die Jazz-Ecke (klar, Luiz Bonfa oder Baden Powell oder Moacir Santos, den ich dank Deinem zweiten BFT erstmals gehört habe, kann man gerne hier besprechen… auch anderes, ich bin ja nicht der Aufseher und gehe auch gerne off-topic, ich denke bloss es würde hier dann etwas gar zu bunt…)

Aus Brasilien stammen allerdings – zurück zum Jazz hiermit! – auch die beiden exzellenten Virtuosen Raul de Souza (Posaune) und Claudio Roditi (Trompete). Die passen durchaus in die Ecke des virtuosen, feurigen Latin-Jazz, wie ihn Dizzy Gillespie oder Paquito d’Rivera (nach Irakere) pflegten. Allerdings ist das dann wieder die Art Latin-Jazz, bei der ich recht schnell genug habe, weil da kaum Raum zum Atmen ist, weil in der ganzen Virtuosität die Musik abhanden kommt (klassischer Fall von Bäumen und Wald, nach meinem Empfinden). Roditi spielt auf dem schönen d’Rivera-Album „Live at Keystone Korner“ (CBS, live 1983), bei Paquito wiederum taucht auch Hilton Ruiz auf, der viel zu früh verstorbene puertoricanische Pianist, der in den 70ern einige Jahre mit Roland Kirk gespielt hat, aber auch mit Freddie Hubbard und vielen anderen gespielt hat. Ich besitze von ihm bisher bloss „Excition“ (mit Richard Williams, Frank Foster, Buster Williams und Roy Brooks) und „New York Hilton“ (mit Hakim Jami und Steve Solder), beide 1977 aufgenommen und bei Steeplechase erschienen.
De Souza habe ich z.B. auf Hermeto Pascoals „Slaves Mass“ (warum fehlt die in der 100-Alben-Liste?), auch 1977 für Atlantic aufgenommen u.a. mit Ron Carter sowie zwei weiteren Brasilianern: Airto Moreira und Flora Purim. Aus der Ecke geht’s dann weiter zu Return to Forever (1972), George Duke („Feel“, 1974, Moreira auch auf Dukes nächsten drei MPS-Alben) und Purims eigenen Milestone-Alben (Airto ist immer mit dabei, andere Sidemen sind Joe Henderson, Duke, de Souza, Carter, Stanley Clarke, Hadley Caliman, Hermeto Pascoal und Egberto Gismonti).
Und mit Gismonti sind wir wieder in Rio de Janeiro angelangt… und bei Alben mit Nana Vasconcelos („Duas Voces“, ECM 1984), sowie zwei wunderbaren Trio-Alben mit Jan Garbarek und Charlie Haden („Magico“ und „Folk Songs“, beide ECM 1979).

Wenn ich alle diese Spuren verfolge, merke ich selber, wie sehr man Latin-Jazz nicht auf Kuba beschränken kann, aber ich tu mich auch schwer damit, einen gemeinsamen Nenner für diese unglaubliche Vielfalt zu finden (muss man an sich auch nicht, ich mein das jetzt nur im Hinblick auf mögliche weitere Threads hier im Forum).

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