Re: Leni Riefenstahl

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tolomoquinkolom

Registriert seit: 07.08.2008

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motörwolfAuch die technische Perfektion der Filme rechtfertigt nicht so hohe Wertungen. Form und Inhalt sind bei den Propagandawerken untrennbar miteinander verbunden. Und wenn man bedenkt, daß viele Darsteller vom Set direkt in die Gaskammer gewandert sind, kann ein Film wie Tiefland für mich unmöglich 4,5 Sterne bekommen.

Natürlich respektiere ich deine Meinung. Das Schicksal einiger Darsteller von TIEFLAND ist fraglos schrecklich. Ich sehe allerdings nicht, wie die Regisseurin dies hätte verhindern können. Spontan kenne ich nur den Fall DIE FEUERZANGENBOWLE von Helmut Weiss und Heinz Rühmann, wo so etwas ähnliches möglich gewesen wäre (durch eine Verzögerung der Dreharbeiten hätten Darsteller des Films gerettet werden können, die nach Fertigstellung eingezogen wurden und starben). Davon einmal abgesehen sind die gegenseitigen Abhängigkeiten und Beeinflussungen von Kunst und Politik immer ein sehr schwieriges aber gleichwohl interessantes Thema. Den Spielfilm TIEFLAND halte ich ungeachtet dem vorher Geschrieben für ein Beinahe-Meisterwerk von Leni Riefenstahl und es wäre sehr spannend gewesen deren weiterer Entwicklung als Filmregisseurin zu folgen.

Die beiden Olympia-Filme FEST DER VÖLKER und FEST DER SCHÖNHEIT sehe ich nicht als Propagandafilme. Beide sind bahnbrechende Werke nicht nur des Dokumentarfilms. Darüber hinaus ist ein wesentlicher Teil der danach folgenden Filmästhetik (auch der Hollywoods) und auch der Bildsprache in der Werbung Riefenstahl-Ästhetik. DER SIEG DES GLAUBENS und TRIUMPH DES WILLENS sind in der Hinsicht Propagandafilme, als sie auch im Auftrag der Partei und für deren Eigenwerbung und Selbstdarstellung entstanden. Die suggestive Dramaturgie, ungewöhnlichen Kameraeinstellungen und Montagetechniken, die bei diesen inszenierten Semi-Dokumentarfilmen Anwendung fanden, sind jedoch ungeachtet ihres propagandistischen Gehalts vor allem auch filmgeschichtlich und ästhetisch sehenswert. Und auch wenn dies weder von den Auftraggebern noch von der Regisseurin beabsichtigt war, ist darüber hinaus – zumindest aus der Rückschau – in diesen Filmen nicht zu übersehen, mit welch operettenhaft wagnerianischer Überhöhung und selbstverliebtem Gepose die damaligen Machthaber ihren monumentalen Wahnideen nachhingen.
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