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Kurzbericht #2
MJQ (Prestige, 1952 & 1954) – Der Titel dieser aus zwei Hälfte zusammengesetzten LP spielt damit, dass die Initialen sowohl für die erste Hälfte (Modern Jazz Quartet) wie auch die zweite passen: Milt Jackson Quintet. Diese Session von 1954 ist all das, was „Milt Jackson Quartet“ (Prestige, 1955) nicht mehr sein sollte: funky, bluesig, Hardbop erster Güte. Henry Boozier (er taucht noch auf einem späteren Bags Album auf, das ich nicht kenne) ist mir völlig unvertraut, er verhaut hie und da einen Ton oder eine Phrase, aber sein sattes Trompetenspiel fügt sich bestens in die funky bluesige Atmosphäre ein, die Silver und Jackson hier schaffen. Percy Heath und Kenny Clarke sind die Begleiter (letzterer sollte auf „Milt Jackson Quartet“ dann durch Connie Kay ersetzt werden, abgesehen davon, dass Boozier dort fehlt, ist es dieselbe Band). ****
Telefunken Blues (Savoy, 1954 & 1955) – Obwohl Milt Jacksons Name als erster auf dem Cover steht und als einziger in Grossbuchstaben gedruckt ist, läuft dieses Album üblicherweise unter Kenny Clarkes Namen. Es entstand in zwei Sessions, die erste wurde Ende 1954 in Hollywood mit Frank Morgan, Walter Benton, Gerald Wiggins, Percy Heath und Clarke aufgenommen, die zweite enstand im Februar 1955 mit einer Abordnung von Basie-ites: Henry Coker, Frank Wess, Charlie Fowlkes, Eddie Jones, sowie Kenny Clarke und (Basie-)Arrangeur Ernie Wilkins.
Es macht grossen Spass, Frank Morgan (der sofort wieder weggesperrt wurde) und Walter Benton in einer solchen Band zu hören. Gerald Wiggins steht seinen Ostküsten-Kollegen in Funkiness gewiss nicht nach undd Clarkes Beats sind hier erneut fast schon Hardbop.
Auf der zweiten Session glänzt besonders Frank Wess mit einem tollen Solo nach dem anderen – für mich ist er einer der allerbesten Jazzflötisten und einer der unterschätztesten Tenorsaxer der 50er Jahre (die Flöte kommt im folgenden Album stark zum Zug, hier spielt er Tenor). ****
Eine Anmerkung zum Sound: ich wollte das Album zunächst au dem Milt Jackson Avid-Set hören – klingt schrecklich da, viel zu viele Höhen und die Becken von Clarke klingen verzerrt (zuviel Kompression?). Auf der Properbox von Kenny Clarke klingt es bedeutend natürlicher.
Opus de Jazz (Savoy, 1955) – eine weitere entspannte Session, Frank Wess dieses mal auf drei der vier Titel an der Flöte, die Rhythmusgruppe Hank Jones, Eddie Jones und Kenny Clarke. Swing deluxe, gewissermassen, aber mit deutlichen Bop-Anklängen. Jackson spielt hier wie schon auf „Telefunken Blues“ wunderbar relaxt, swingt enorm. Die Kombination von Flöte und Vibraphon ist ja einigermassen beliebt und viel besser als mit Bags und Wess klingt sie nie, und Hank Jones‘ Soli fügen sich ebenfalls perfekt in die Musik ein. Jackson ist der erdigste der Musiker (Wess ist an der Flöte um einiges leichter als am Tenor, sein luftiger Ton kommt in der Ballade „You Leave Me Breathless“ schön zur Geltung) und Clarke sorgt mit seinen „bombs“ immer wieder für spannende Impulse. Schon Horace Silvers Opener „Opus de Funk“ ist wie der Titel sagt eine erdige Hardbop-Nummer, „Opus Pocus“ (angeblich wie auch „Opus and Interlude“ von Ozzie Cadena… wer’s glaubt) ist noch einfacher, ein themenloser Blues, den Eddie Jones öffnet, dann folgt Jackson… und schliesslich Wess mit einem wunderbaren Tenorsolo.
(Savoy nachm 1960 eine Art Nachfolge-Album auf, John Raes „Opus de Jazz Vol. 2“ mit Bobby Jaspar an der Flöte und Steve Kuhn am Piano – auch das ist sehr hörenswert.)
Henri Renaud All Stars (Vogue, 1954) – Henri Renaud produzierte im Frühjahr 1954 in New York eine Reihe von Sessions für Vogue (die in den USA teils bei Period/Fantasy erschienen sind, als „The Birdlanders“, 2 Vols.). Die Session vom 7. März ist eine lockere All Star Angelegenheit: Al Cohn, J.J. Johnson, Bags, Percy Heath und Charlie Smith spielten mit Renaud eine Reihe von Standards ein, dazu einen Blues von Johnson („Jay Jay’s Blues“) und ein Original von Renaud („Jerry Old Man“). Neben den beiden Originals entstanden „Out of Nowhere“ und zwei Takes von „If I Had You“ im Sextett, für „Jerry Old Man“ (Jackson spielt Akkorde, um Renauds Pianosolo zu begleiten) und „There’s No You“ ist Cohn abwesend, „The More I See You“ und „Indiana“ entstanden nur mit Johnson, Jackson (p, voc auf „The More…“), Heath und Smith, und „Lullaby of the Leaves“ ist ein Piano-Trio von Jackson.
Cohn ist grossartig drauf, sein Ton klingt leicht hohl und ist für einen „brother“ sehr gross und voluminös (uhm ja, das ist verwirrend… die „brothers“ waren ja „grey boys“, um es in Lester Youngs Teminologie auszudrücken), Johnson ist ebenfalls in Form, zu hören etwa auf seinem Blues und auch in den Nummern ohne Cohn (und jenen ohne Cohn und ohne Renaud). Er war zuvor zwei Jahre abwesend, kurz nach diesen Aufnahmen sollte seine Karriere dann aber mit dem Quintett, das er mit Kai Winding gründete, richtig abheben. Jackson ist übrigens bestimmt kein grosser Sänger, aber er begleitet sich hübsch am Piano und Johnson spielt eine schöne Begleitung und dann auch ein wunderbares lyrisches Solo. Das Piano-Trio in „Lullaby of the Leaves“ ist auch keine Grosstat, hat aber durchaus Charme.
(Verwirrenderweise scheint diese Session auch unter dem Titel „Wizard of the Vibes“ erschienen zu sein… diesen Titel trägt schon eine Blue Note Veröffentlichung von Jackson. Und wem diese Session gefällt, der sollte sich auch „Henri Renaud – Al Cohn Quartet“ und „Oscar Pettiford Sextet“ auf Vogue suchen, letzteres eine weitere All Stars Aufnahme mit Kai Winding, Cohn, Renaud, Tal Farlow und Max Roach).
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