Re: "Django Unchained" – der neue Tarantino

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motoerwolf

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nail75Ich würde auf keinen Fall sagen, dass „der Alltag eines normalen Sklaven deutlich weniger schlimm war als bei Tarantino gezeigt“. Wie kommst du darauf?

1. Such mal Belege dafür, daß es „Mandingo“-Kämpfe gab. Und zwar wie im Film angedeutet einigermaßen regelmäßig und ganz offen.
2. Schon die Vorstellung, die Masse der Südstaatler, die Sklaven hielten, wären Plantagenbesitzer gewesen, ist falsch. In den meisten Fällen hatte man eine sehr überschaubare Anzahl von Sklaven. Diese waren nämlich teuer, und daher wurden sie auch nicht verheizt. So gab es meist durchaus ein „freies“ Wochenende, die Verpflegung war der Zeit entsprechend einfach, aber ausreichend. Ein einfacher weißer Farmer ohne Sklaven in den Südstaaten ohne Sklaven hatte in dieser Hinsicht oftmals einen Lebensstandard, der dem eines Sklaven ungefähr entsprach. Ehen unter Sklaven waren im Schnitt sehr langlebig, ein getrennter Verkauf von Eheleuten und / oder Kindern war nämlich auch nicht die Regel (kam aber freilich immer noch viel zu oft vor). Absolut unmenschlich waren natürlich das Auspeitschung, die tatsächlich wohl noch am häufigsten von den gezeigten Greueln vorkam. Leider hat es so etwas aber auch noch im Europa des 19. Jahrhunderts gegeben (z.B. beim Militär), und selbst bis heute ist in Teilen der USA die Prügelstrafe an Schulen erlaubt. Was ich damit sagen will: so schlimm diese Strafe war, sie war nicht so ungewöhnlich, wie sie aus heutiger Sicht erscheint und keineswegs nur Sklaven vorbehalten. Gleiches gilt auch für die Ketten. Das Gewaltniveau insgesamt war einfach unglaublich hoch.
Zum willkürlichen Töten von Sklaven, wie im Film durch die Hunde geschehen: Wenn ich mich recht erinnere, war das im Prinzip illegal, kam aber vor und blieb normalerweise ungesühnt. Allerdings war auch das wohl nicht alltäglich. Der Film spielt zu einer Zeit, als Sklaven nicht mehr legal importiert werden konnten. Man war daher auf Zucht (das schreibt sich nur mit Ekel) angewiesen. Dadurch war das Angebot relativ begrenzt und ein Sklave einfach zu wertvoll, um willkürlich getötet zu werden.
All das im Film gezeigte ist nicht per se unrealistisch, aber einen Eindruck vom Alltag der Sklaven gewinnt man nur ganz am Rande. Nicht jeder Sklave lebte in einer permanenten physischen Hölle. Psychisch mag das schon wieder ganz anders ausgesehen haben. Die Belastung durch die Unfreiheit und das Wissen darum, als „Untermensch“ (sorry, der Begriff ist hier anachronistisch) zu gelten, mag ich mir nicht einmal vorstellen.

Geht man in der Geschichte weiter zurück, entspricht das Los der Sklaven dem im Film gezeigten aber wohl immer mehr. Wenn es nicht sogar noch schlimmer war.

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame