Re: "Django Unchained" – der neue Tarantino

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blitzkrieg-bettina

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Nach dem Dritten Reich nimmt sich Quentin Tarantino für seinen neuen Film nun also eines der großen Verbrechen seines Landes vor: Die Sklaverei.
Ähnlich wie bei „Inglorious Basterds“ kann man natürlich Bedenken haben dass er dem Thema richtig gerecht wird. Der wohl bekannteste afroamerikanische Regisseur – Spike Lee – zürnte dass er sich den Film nicht ansehen werde, da er dass Andenken seiner Vorfahren beschmutzen würde, die gewaltsame Verschleppung und Versklavung der Afrikaner sei keine Vorlage für einen Spaghettiwestern sondern ein Holocaust.
Vom cineastischen Standpunkt her könnte man Bedenken äussern dass ein Western von Tarantino etwas zu offensichtlich ist, da er das Genre ja schon seit längerer Zeit umkreist, und Anspielungen und Querverweise wie in „Basterds“ oder „Kill Bill“ eventuell eher sein Fall sind.

Wie ist also jetzt dieser Film?

Also, mich hat er bei weitem nicht so beeindruckt wie „Inglorious Basterds“. Klar, Vorspann und Abspann beeindrucken mit ausgefeilter Typografie. Einige Szenen waren wirklich witzig – so wie die Reiterattacke des Ku Klux Klan, die in kürzester Zeit von an Eisenstein gemahnenden Pathos zu Monthy Python/Mel Brooks-mäßigem Klamauk mutierte. Auch die Schluss-Szene, bei der Jamie Foxx wie ein cooler Action-Held der Jetztzeit, versetzt ins 19. Jahrhundert, wirkte gefiel mir. Generell war Foxx – obwohl er kaum spielte – in jeder Szene absolut würdevoll. Dasselbe gilt für Kerry Washington.

Aber einiges gefiel mir gar nicht: Die Rolle von Christoph Waltz war viel zu klamaukig angelegt, nur noch ein Schatten seiner Performance als Hans Landa. Die Rolle des „Man you loved to hate“ übernimmt hier eindeutig Leonardo diCaprio. (Das hier im Thread häufig erwähnte Hamburger Immerlach-Publikum ist mir übrigens auch aufgefallen. Ein Pferd namens Fritz, hach wie witzig.) Einige Rollen bleiben bei reinen Karikaturen stehen. Ein Pluspunkt ist wie Tarantino die bilderbuchhafte Klischee-Südstaaten“idylle“ mit wirklich harten Szenen kontrastiert. Irgendwo hier wurde geschrieben er stelle das Leben der Schwarzen in den Südstaaten im Prinzip als KZ dar. Ganz falsch ist diese Feststellung sicher nicht.

Hier kommen wir aber zu meinem Hauptkritikpunkt: Dass in diesem Werk zwei völlig unterschiedliche Gewaltästhetiken aufeinander prallen. Zum Einen die eben erwähnte, krass realistische Darstellung des Leids der Sklaven in der damaligen Zeit. Zum anderen die grelle, fast exploitationhafte Wild-West-Gewalt. Tut mir leid, für mich passt dass beides nicht zusammen, letzteres nimmt ersterem seine Eindringlichkeit und droht jede Betroffenheit zu ersticken. Wahrscheinlich hat er ihn immer noch nicht gesehen, aber irgendwie kann ich da die Haltung von Spike Lee zum Thema verstehen.

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Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.