Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Stanley Turrentine › Re: Stanley Turrentine
Hm, schwierige Frage… das Mosaic hab ich noch nicht, aber 15 Blue Note CDs und eine LP, sowie – natürlich! – das Album mit den Three Sounds („Blue Hour“) und einige Sideman-Sachen. Manchmal mag ich ihn sehr gerne, manchmal ist mir seine Musik zu einfach gestrickt… das liegt aber mehr an meiner jeweiligen Stimmung als an seiner Musik.
Jedenfalls ist sein robuster Sound sehr „old school“ und insofern dürfte Dein Vergelich mit Lockjaw zustimmen, auch wenn ich Turrentine für einen sehr viel weniger kompetitiven, bissigen Saxophonisten halte als Jaws. Ich verorte ihn eher direkt bei Hawkins und Webster, aber natürlich ist er eindeutig dem modernen Jazz zuzuordnen. Was Du da mit „zweiter Generation“ meinst, ist mir nicht ganz klar, denn es gab wohl musikalisch gesehen einige Generationen zwischen Hawkins und Turrentine. Jedenfalls gehört Turrentine zu den Zeitgenossen von Coltrane und Rollins, und er ging unbeirrt seinen eigenen Weg.
Seine Alben fallen für mich grob in drei Gruppen:
1) Orgeljazz – Favoriten: „Queen of the Organ“ von Shirley Scott, seine eigenen „Dearly Beloved“ und „Hustlin'“, Jimmy Smiths „Back at the Chicken Shack“ (mein allererstes und immer noch eins meiner allerliebsten Orgel-Alben!) und „Midnight Special“ (das für mich aus biographischen Gründen abfällt, kenne es sehr viel weniger gut und lang). Erwähnenswert ist auch Scottts „Legends of Acid Jazz“ Twofer (derjenige ohne Zusatztitel, also nicht der auch hörenswerte „Soul Sister“) mit zwei weiteren Alben des Ehepaares, sowie „Blue Flames“, das ich nachher gleich noch auflegen werde. Otis „Candy“ Finch war ein grossartiger Drummer!
2) Hardbop im weitesten Sinne – Favoriten: alles, was Stanley & Tommy gemeinsam gemacht haben, besonders die Aufnahmen mit Max Roachs Quintett (mit Julian Priester) – da wird am ehesten die ganz eigene, sehr vokale Qualität von Turrentines Spiel hörbar… zudem „Up at Minton’s“ und die anderen Alben mit Horace Parlan (alle drei mit Tommy, zwei unter Parlans Namen sowie „Comin‘ Your Way“, ein damals zurückgehaltenes Stanley T-Album, das ich als LP habe – ist auch im Mosaic zu hören). In diese Kategorie fällt für mich auch „Blue Hour“, das wunderbare Album mit Gene Harris‘ Three Sounds, und „Joyride“, teils mit Big Band (unter Leitung Oliver Nelsons)
3) Souljazz – das ist für mich eher eine zeitliche Abgrenzung und sauber ist sie nicht (katharsis, liest Du mit? ), aber für mich persönlich ist das nun mal so. In diese dritte Kategorie fallen etwa das spätere Album mit Scott („The Spoiler“) oder die diversen Duke Pearson Sessions („Rough’n’Tumble“ gefällt mir von denen wohl am besten, aber ich hab die beiden CDs „A Bluish Bag“ und „Return of the Prodigal Son“ noch kaum gehört). Irgendwo zwischen Gruppen 2 und 3 höre ich die Sessions, die auf der tollen Rare Groove CD „Easy Walker“ zu hören sind (Tyner mit Cobham!).
Die späteren Aufnahmen von Turrentine kenne ich bisher kaum, mit CTIs Softporno-Sound tu ich mich (abgesehen etwa von den beiden tollen Freddie Hubbard-Alben „Red Clay“ und „Straight Life“) meist noch immer schwer, bzw. die Musik zieht einfach an mir vorbei, ohne dass ich wirklich aufhorchen würde.
Ich glaub das einzige spätere, was ich von ihm habe, sind seine zwei oder drei Soli auf Diana Kralls zweitem Album… aber aus den frühen Jahren (grob: 1960-68) gibt’s wohl kaum etwas, was nicht zumindest ganz in Ordnung wäre, und das allermeiste ist schwer in Ordnung (auch die nicht erwähnten „Look Out!“, „Never Let Me Go“, das sehr schöne „That’s Where It’s At“ mit Les McCann und „Let It Go“ auf Impulse). So richtig umwerfend gut und herausragend find ich dagegen nur wenig – aber darum geht’s bei Turrentine irgendwie so wenig wie bei – ja, der Vergleich passt schon, Alex! – Lockjaw. Turrentines Musik geht in den Bauch, und oft bleibt für den Kopf etwas wenig – das meinte ich wohl damit, wenn ich von der Stimmung sprach, in der ich sein muss, um seine Musik zu mögen. Es gibt jedenfalls Momente, in denen kaum etwas so perfekt passt wie „Blue Hour“ (der ärgste Konkurrent dürfte da Ike Quebecs „Bossa Nova Soul Samba“ sein, oder Kenny Burrells „Midnight Blue“ mit … genau: Mr. T!)
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba