Re: Berlinale 2011 – 10. bis 20. Februar

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witek-dlugosz

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Ein Ehepaar am Ende: Auf dem Weg zum Flughafen, von wo die Frau zu einer Geschäftsreise aufbricht, teilt sie ihrem Mann mit, sie werde ausziehen und sich von ihm trennen. Einen anderen Mann habe sie außerdem. Der Mann bleibt ganz und gar ruhig. Sie bereden die Trennung ausgiebig, aber distanziert, bis sie am Flughafen angekommen sind. Der Film beschreibt nun den letzten gemeinsamen Tag der beiden nach ihrer Rückkehr von der Geschäftsreise. Sie packt ihre Sachen, er hilft ihr dabei, kocht ihr Kaffee, mach eine Reservierung im Restaurant und bleibt ruhig, höflich und verständnisvoll. Die beiden reden am Rande weiter über die Gründe für das Scheitern ihrer Beziehung. Warum er so verständnisvoll bleibe, will sie wissen Wut habe keinen Sinn, antwortet er in aller Ruhe. Auch die Frau hält ihre Gefühle im Zaum, nur in ihrem Blick scheinen sie manchmal durch.

Draußen regnet es in Strömen. Etwas Wasser dringt ins Haus ein. Kein Problem – der Mann kümmert sich drum. Die Brücke, die sie auf dem Weg zum Restaurant überqueren müssten, ist überflutet. Kein Problem – dann kochen sie eben zusammen Pasta. So wie früher, als sie glücklich waren. Der Liebhaber der Frau ruft an, ihr Mann geht ans Telefon. Kein Problem – er reicht den Hörer mit nicht mehr als einem leichten Stocken und einem leicht gequälten Lächeln weiter.

Eine junge Katze ist durch ein zu breites Gitter in den Kellerschacht gefallen. Der Mann holt sie ins Haus, die Frau rubbelt sie mit einem Handtuch trocken, die Katze beißt den Mann in die Hand. Sie will ihm die Hand verbinden, er lehnt ab. Es folgt die einzige Szene, in der die beiden einen Rest von Impulsivität zeigen. Sie fragt gereizt, wie er das denn abstellen wolle mit nur einer Hand, erlässt sie gewähren. Einige Augenblikcke lang verharren die beiden in der unerwarteten Nähe, ihre Gesichter bewegen sich aufeinander zu und kurz sieht es so aus, als ob sie sich gleich küssen würden. Doch dann ist der Moment vorbei. Und auch die Katze ist irgendwo im Haus verschwunden.

Ein Ehepaar aus der Nachbarschaft kommt vorbei, sie suchen die Katze. Besonders die Nachbarin drängt sich auf, macht sich auf eigene Faust auf, um im Haus die Katze zu suchen. Mann und Frau wahren den Schein, sind auch zu den Nachbarn so höflich wie zueinander. Die Katze taucht kurz auf, ist dann aber wieder verschwunden. Die Nachbarn verabschieden sich, Mann und Frau kochen Pasta. Der Mann schneidet eine Zwiebel, nur deshalb kommen ihm endlich die Tränen. Er geht ins Badezimmer, wischt sich die Augen aus und verharrt vor seinem Spiegelbild. Derweil sitzt die Frau allein im Wohnzimmer, als die Katze wieder auftaucht und aus einer als Köder bereitgestellten Dose frisst. Alles werde gut, sagt die Frau zu der Katze, und der Film ist zu Ende.

Lees Film hat kein Interesse daran, das Ende einer Beziehung zu psychologisieren – denn bei aller Gesprächigkeit der Figuren verweigert er jedes Gefühlsbekenntnis. Er nimmt sich dafür viel Zeit, das Paar in ihrem noch gemeinsamen Alltagsumfeld zu zeigen: einem mehrstöckigen kleinen, in stilvollen Brauntönen eingerichteten Haus, das genau so aufgeräumt ist wie die beiden Menschen, die darin wohnen. Nur die Umzugskisten, die in einigen Räumen stehen, künden unaufgeregt von der großen Veränderung, die unweigerlich kommt.

“Saranghanda, saranghhaji anneunda“ ist sehr langsam und ruhig erzählt und reduziert seine Handlung auf ein absolutes Minimum. Im Vergleich zu Béla Tarrs Wettbewerbsbeitrag ist er natürlich sehr schnell und vor allem dialoglastig. Doch den Minimalismus haben beide Filme gemeinsam: nur zwei Figuren (und Zaungäste), wenige Schnitte, im Wesentlichen ein Spielort. Doch zugegeben: Der Vergleich mit Tarr hätte sich mir niemals aufgedrängt, wenn nicht beide Filme im selben Wettbewerb laufen würden. Und natürlich ist „Saranghanda, saranghhaji anneunda“ meilenweit von der Klasse von „A Torinói ló“ entfernt. Als skizzenhafte Studie der Sprachlosigkeit am Ende einer Beziehung ist er aber sehr sehenswert.

* * * 1/2

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