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Oliver Tate ist ein Teenager im Wales der 1970er Jahre (zumindest sieht alles im Film nach dieser Zeit aus). Sein Vater (Noah Taylor) ist ein verschrobener Meeresbiologe mit starkem Hang zur Depression, seine Mutter (Sally Hawkins) eine Verwaltungsangestellte und verhinderte Schauspielerin. Immer mehr kommen die Eheprobleme der Eltern an die Oberfläche. Oder zumindest ist Einzelkind Oliver, der routinemäßig das Schlafzimmer der Eltern inspziert, von diesen Problemen fest überzeugt. Er ist sich sicher, dass seine Mutter eine Affäre mit ihrer nebenan wohnenden Jugendliebe hat, und versucht die Ehe seiner Eltern zu kitten. Beide reagieren aber unwirsch darauf, da sie sich offenbar im schwindenden Glück ihrer Ehe ganz gut eingerichtet haben.
Oliver kommt mit Jordana (Yasmin Paige) aus seiner Klasse zusammen. Langsam weicht der mal unbeholfene, mal bewusst ruppige Umgang der beiden miteinander einem vertrauensvollen Verhältnis. Als aber Oliver in Erwägung zieht, Jordana wegen der Sorge um seine Eltern ins Vertrauen zu ziehen, macht sie seine Pläne zunichte: Sie erzählt ihm, dass ihre Mutter einen Hirntumor hat – weshalb er das Gefühl hat, jetzt nicht mehr mit seinen Sorgen kommen kann: „Cancer beats potential divorce“, beschließt er – und ist mit der Situation vollends überfordert.
Richard Ayoade ist in erster Linie bekannt als einer der Hauptcharaktere in der britischen Sitcom „The IT Crowd“. „Submarine“, die Verfilmung des Romans von Joe Dunthorne, ist Ayoades erster Kinofilm, aber nicht seine Premiere hinter der Kamera: Er hat unter anderem schon Musikvideos inszeniert für Bands wie Vampire Weekend und Arctic Monkeys (deren Sänger Alex Turner die Songs für „Submarine“ beigesteuert hat).
Man merkt seinem Film ein bisschen zu sehr an, dass er um jeden Preis möglichst viele filmische Mittel einsetzen will, um seine Geschichte zu erzählen: Super-8-Film-im-Film-Aufnahmen, Zwischentitel, Farbfilter und Blenden, Zeitlupe und angehaltenes Bild – und sogar einmal ein split-screen. Vielleicht ist das der Tatsache geschuldet, dass Dunthorne seinen Roman eigentlich für unverfilmbar hielt. Nötig ist dieser übergroße Eifer aber nicht, denn ein bisschen mehr Stringenz hätte dem Film nicht geschadet.
„Submarine“ lebt nämlich in erster Linie nicht von seinen filmischen Mätzchen, sondern von gut gespielten gegen den Strich gebürsteten Charakteren und vor allem einer Hauptfigur, die zwar eine Menge Identifikationspotential hat, deren schlechte Seiten aber ausgiebig zelebriert werden: Oliver ist beim Mobben einer dicken Mitschülerin mit dabei, will Jordanas Hund vergiften und versetzt sie nach einer wichtigen Operation ihrer Mutter im Krankenhaus.
Noch amüsanter als der Film war die Fragerunde im Anschluss. Ayoade (der übrigens tatsächlich so redet wie seine Figur in „The IT Crowd“) bremste hochtrabende Fragen mit trocken vorgetragenem Nonsens aus: Was der close-up auf ein Schälchen Pudding zu bedeuten habe? Das sei eine Reminiszenz an „Taxi Driver“ und wer den Pudding nicht verstanden habe, habe den Kern des Films nicht verstanden. Er habe eigentlich einen Trailer durchsetzen wollen, der nur aus der Aufnahme des Puddings und dem Titel des Films bestehe. Und als die Moderatorin (Wo nimmt eigentlich die Berlinale all diese fragegierigen nervösen Menschen her?) sagte, „I want to talk about suicide“, antwortete er mit gespieltem Entsetzen: „What? Now?“ und nuschelte nach einer Pause hinterher: „It’s not all that bad“. Sollte er damit auch seinen Film gemeint haben, hat er tiefgestapelt. „Submarine“ ist nämlich unterm Strich ein sehr hübscher Coming-of-Age-Film.
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