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wernerDas mit Callahan geht bei mir einfach nicht. Jetzt hab ich sogar die vorige noch mal gehört („… eagle ….“), aber ich bin tatsächlich kurz eingenickt. Das war bei Smog schon so. Mit dieser Nicht-Stimme kann höchstens L. Cohen bei mir kommen, weil der wenigstens noch Poesie in den Texten hat,die ich so bei Callahan auch nicht finde. Mich wundern diese Wahnsinnsbewertungen schon ein wenig, denn auf Dauer ist das alles doch sehr eindimensional. Manche finden eine „Tiefe“ in den Werken, aber auch danach suche ich vergeblich – und dabei will ich Callahan mögen. Ich hatte mit dem mal eine Untzerhaltung, um den Dreh seiner zweiten Soloscheibe herum, und ich erinnere mich, dass das sehr angenehm war, vor allem weil es keine Musikambiente war und Callahan selbst nur Gast. Dennoch, mit der Musik kann ich nichts anfangen.
Ich habe Deine Ansicht zu Callahan gerne gelesen – und vieles kann ich sogar nachempfinden, auch wenn es bei mir ganz anders ist. Callahan hat für mich etwas, das andere nicht haben und es ist doch so, dass er für mich in den letzten Wochen und Monaten zu so etwas wie einem Lieblingsmusiker geworden ist. Wenn sich Instrumente und Gesang vermischen entsteht für mich hier etwas, das ich, ein besserer Begriff fällt mir momentan noch nicht ein, als friedvoll bezeichnen würde. Etwas, das ich fragmentarisch bei Dylan höre, selten bei Cohen, oft bei Oldham, manches Mal auch bei Drake, in gewisser Weise auch bei Cash – aber zu keiner Zeit in dieser Deutlichkeit. Callahans Musik ist für mich paradox – sie ist nie vollends glücklich, den sie ist stets von Sorgen geplagt, aber sie betrauert sich niemals. Sie zweifelt – aber anstatt beim reinen Zweifel zu bleiben, löst Callahan all diese auf – in Harmonie, in einer inneren Ruhe. Und in bedingungsloser Liebe, womöglich die einzige Waffe, die man Hass, Tod und Hysterie entgegenbringen kann (also ganz ähnlich, wie schon Bonnie „Prince‘ Billy in „Black“ dem Schatten zum Ende freundschaftlich die Hand reicht). Allerdings ist die Musik, schon zu Zeiten von Smog, zu keiner Zeit dogmatisch, Ansprüche schon längst das Licht gesehen zu haben, gibt es nicht. Dafür linzt der Gute ja auch viel zu gerne den Abyssos hinunter. Die Musik ist einsam, weltabgewandt, schlicht – und sie ist es dennoch nicht, weil sie zuletzt zutiefst menschlich ist. Eindimensional kann ich sie übrigens nicht finden – dafür ist sie zu farbenreich, zu dynamisch, zu opulent (gerade in den letzten Jahren), zu harmonisch in ihrer Melodieführung und letztlich: Mal ist Bill der verwunderte Partner, der dem naivlich fragenden Mädel die Begrifflichkeit von Liebe erklären soll („Liebe ist ein Ding, das in einer leeren Box aufbewahrt wird“ – „Wie kann etwas in einer leeren Box aufbewahrt sein?“), dann der gerissene Zyniker („Dress sexy at my funeral, my good wife, for the first time in your life!“), der Schwärmer („Our anniversary“), der Gesellschaftskritiker („I feel like the mother of the world“ – Kain und Abel?), der Gläubige, der bis zum Rock bottom dem goldenen Ring nacheilt (aber auch: „It’s time to put god away“), der Phönix, der in „Say valley maker“ wieder zum Leben erwacht („now I’m galloping back!“, wie belebend!), der Hoffende („Baby’s breath“), der mit Segen Abschiednehmende („My friend“ – und wie er „My friend“, im Grunde reduziert sich alles auf diesen Zweiwortsatz, ausspricht ist derart aufrichtig, dass mir immer wieder klar wird, was mir bei vielen anderen Künstlern fehlt) – und der einsame Südvogel, isoliert von allen, die ihm in ihrer überschäumenden Kraft doch nur die Arme aus den Gelenken reißen würden. Dass sich Callahan zunehmend mehr der Öffentlichkeit zuwendet, ist, finde ich, ein gutes Zeichen, das zeigt, dass der große Blick ins Dunkel von „A river ain’t too much to love“ nunmehr dem gewichen ist, was ich oben schon angeschnitten hatte: Seligkeit, Fröhlichkeit, Glückseligkeit. Ein neuer harmonischer Wind und so, die Streicher und verstärkte Ryhthmusfraktion kommen wohl nicht von ungefähr. Sehr wärmend und tröstlich jedenfalls. Wenn ein Musiker mir das vermitteln kann, dieses Lächeln, obwohls an allen Ecken und Enden schon zu bröckeln anfängt, nehme ich ihm nicht mehr übel, dass er streng genommen seit zwanzig Jahren das stimmungstechnisch (weitestgehend) gleiche Werk unters Volk bringt. Ja doch, von all den Songwritern für mich mit Abstand der vielseitigste; wahrlich ein gerissener, cooler Poet. Und sexy ist die Stimme ja sowieso.
„My ideals have got me on the run/Its my connection with everyone“.
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Hold on Magnolia to that great highway moon