Re: Bill Evans

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:: atom über „Explorations“ ::

atomAlbum #13

Bill Evans Trio – Explorations
Riverside RLP 351

Bill Evans – p
Scott LaFaro – b
Paul Motian – dr

New York 02.02.1961

Israel (Carisi) 6:06
Haunted Heart (Deitz-Schwartz) 3:25
Beautiful Love (Gillespie-King-Van Alstyne-Young) 5:03
Elsa (Zindars) 5:03

Nardis (Davis) 5 :48
How Deep Is The Ocean ? (Berlin) 3:30
I Wish I Knew (Gordon-Warren) 4:39
Sweet And Lovely (Arnheim-Tobias-Lemare) 5:50

Das junge Jazzlabel Riverside, welches u.a. Thelonious Monk unter Vertrag hatte, ermöglichte dem relativ unbekannten Pianisten 1956 die erste Plattensession unter eigenem Namen. Das Album New Jazz Conceptions war zwar nicht sonderlich erfolgreich, ermöglichte Evans aber zahlreiche Engagements bei anderen Musikern. Sehr gute und vor allem durch seinen sehr persönlichen Stil geprägte Gastspiele gelangen ihm im folgenden Jahr bei Eddie Costa, George Russell (Modern Jazz Concert) und Charles Mingus (East Coastin). Sein Spiel wirkte zu der Zeit fast schon revolutionär und prägend, was besonders stark in seiner Bearbeitung diverser Standards zur Geltung kam.
Für weiteres Aufsehen sorgte Evans im Herbst 1957, als er als Pianist in Miles Davis neuformierter Band Platz fand. Sein erstes Gastspiel bei Davis war nur von kurzer Dauer, da es häufig Integrationsprobleme innerhalb der sonst rein schwarzen Band gab.
Kurz nach seinem Ausstieg bei dem Trompeter spielte er eine weitere Platte für Riverside ein. Die mit dem programmatischen Titel entstandene LP Everybody digs Bill Evans war der eigentliche Durchbruch Evans in der Jazz Fachwelt. Kaum ein anderer Pianist war zu der Zeit in der Lage Einflüsse der europäischen Klassik so gekonnt in den Jazz Kontext zu integrieren, wie Bill Evans.
Nicht zuletzt deswegen holte Miles Davis Bill Evans im Frühjahr 1959 erneut für ein einmaliges Engagement ins Studio. Außer ein paar weniger Skizzen von Davis und Evans gab es für diesen Studiotermin kaum Vorbereitungen. Es entstanden vier Stücke, die allesamt im ersten Anlauf eingespielt wurden. Das resultierende Album Kind Of Blue erlangte als eines der ersten Jazz Alben Weltruhm.

Nach der Zusammenarbeit mit Davis legte Evans seinen Fokus erneut auf das Piano Trio. Neben Paul Motian am Schlagzeug war es besonders der Bassist Scott LaFaro, der dieses erste wichtige Bill Evans Trio so wichtig machte. Portraits In Jazz markierte im Dezember 1959 den Anfang einer eineinhalbjährigen Zusammenarbeit eines der wichtigsten Pianotrios der Jazzgeschichte. Das Ende des Trio markierte Scott La Faros tragischer Unfalltod am 6. Juli 1961.

Die Platte Explorations ist nicht nur der oft zitierte musikalische Vor- und Wegbereiter für den größten Erfolg dieses Trios im Village Vanguard (Sunday At The Village Vanguard, Waltz For Debby und More From The Vanguard), sondern für mich eine der faszinierendsten Pianotrioplatten.

Das wunderbar perlende und swingende Pianospiel Evans, das dezente und dennoch akzentuierende Schlagzeugspiel Motians, das perfekte Kontrabassspiel LaFaros und die herausragende Songauswahl sind die Basis dieser wunderbaren Platte.
Die beiden Höhepunkte dieser Session sind für mich die Neuinterpretation der Irving Berlin Komposition How Deep Is The Ocean? und die Miles Davis Komposition Nardis, welche Miles Davis für Cannonball Adderley (Know What I Mean?) komponierte und nie selbst eingespielt hat.

Für mich war Explorations die erste Bill Evans Platte und der Beginn einer großen Leidenschaft – die Liebe zum Herzstück des Jazz’, dem Piano Trio.

:: weitere Evans-Tipps von atom ::

atom

Napoleon Dynamite

Meinst du die Aufnahmen auf Fantasy? Was ist denn da emphelenswert?

Ich dachte an die Alben „The Paris Concert“ und „I Will Say Goodbye“ mit Eddie Gomez und Eliot Zigmund auf Fantasy – aber vor allem an das wunderbare „You Must Believe In Spring“ in selber Besetzung auf Warner. Alle drei aus der Zeit von 1978/79. Selbst in der Spätphase 1979/80 gibt es ein paar wunderbare Live Aufnahmen des Bill Evans Trios (Bill Evans/Marc Johnson/Joe LaBarbera), die einen die unsäglichen E-Piano und Orchester Experimente vergessen lassen.
Über die Einspielungen zwischen dem Village Vanguard 1961 und Bill Evans Live in Tokyo 1973 müßte ich nochmal nachdenken.

atomNochmals zu Bill Evans, da ich gestern nicht an meine Platten kam:

Neben den in diesem Thread bereits erwähnten Riverside Einspielungen „Everybody Digs Bill Evans“ von1958, „Portrait In Jazz“ von 1959, „Explorations“ von 1961, sowie die Village Vanguard Einspielungen aus dem Jahr 1961 kann ich folgende Trio Einspielungen empfehlen:

„Moon Beams“ & „How My Heart Sings“ von 1962 im neu formierten Trio knüpfen noch nicht direkt an die Qualitäten der Vanguard Alben an, zeigen aber bereits ein wunderbar eingespieltes Trio.
„Bill Evans At Town Hall“ von 1966, „California Here I Come“ von 1967 und „At The Montreux Jazz Festival“ sind drei der ganz wenigen gelungenen Verve Einspielungen Bill Evans.
Einige der Live Einspielungen der Jahre 1969 und 1970 sind ebenfalls empfehlenswert, wie z.B. „Jazzhouse“ und „You’re Gonna Hear From Me“ auf Milestone oder „Montreux II“ auf CTI. Die Phase für CBS kann man getrost links liegen lassen. Ab 1973 gibt es sehr gute Alben auf Fantasy, u.a. „The Tokyo Concert“, „Since We Met“ und „Re: Person I Knew“.
Die letzten sehr guten Alben sind für mich die gestern erwähnten „I Will Say Goodbye“, „You Must Believe In Spring“ und die beiden Editionen des „Paris Concert“ auf Elektra.
Insgesamt gibt es, bis auf ein paar Verve Alben, keine schlechten Trio Alben von Bill Evans. Um die Solo Alben, E-Piano Experimente und den Orchesterunfug kann man aber getrost einen großen Bogen machen.

Sonst taucht Evans selbstverständlich in diversen Listen auf… falls jemand sich noch an versteckte Perlen zu Evans hier im Forum erinnert, bitte sucht sie hervor und bringt sie hier hin!

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #152: Enja Record, 1971-1973 – 14.05., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba