Re: Blindfold Test

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gypsy-tail-wind
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9 – CHRIS McGREGOR’s BROTHERHOOD OF BREATH: Davashe’s Dream (Mackay Davashe) 7:34
Chris McGregor (p), Mongezi Feza (pocket t), Mark Charig (cor), Harry Beckett (t), Malcolm Griffiths (tb), Nick Evans (tb), Dudu Pukwana (as), Mike Osborne (as), Ronnie Beer (ts), Alan Skidmore (ts, ss), John Surman (bari, ss), Harry Miller (b), Louis Moholo (d, perc)
Soloists: Dudu Pukwana (as), Mongezi Feza (pocket t)
London – January 9, 1971
RCA (E)Neon NE2 („Brotherhood of Breath“) / taken from CD: Fledg’ling FLED 3062

[INDENT]Und hier ist sie dann… die glorreiche Brotherhood of Breath, Chris McGregors Big Band, in der exilierte Südafrikaner auf Engländerr (und Beckett aus den West Indies) trafen… eine der allertollsten Big Bands, Free Bands, Bands überhaupt – mit unglaublichen Solisten wie Dudu Pukwana, Mongezi Feza, Mike Osborne, Alan Skidmore… und der grossartigen Rhythmugruppe Miller/Moholo.
Das Arrangement hier ist klassisch, umso schöner können Pukwana und Feza dagegen anspielen, ihre Spielchen treiben… Pukwana ist natürlich noch einer der tollen Altsaxer mit dem schweren Sound und der rohen Emotionalität, dem cry – für mich einer der ganz grossen! Feza ist verspielter, nervöser… und Pukwanas erste Phrase, mit der er wieder einsteigt ist pure Magie! Sehr schön auch, wie die Posaunen gesetzt sind.
Der Komponist des Stückes, Makwenkwe „Mackay“ Davashe lebte von 1920 bis 1972 und gehörte einer älteren Generation von südafrikanischen Jazzmusikern an. Er war schon in den 40ern aktiv, leitete u.a. die Jazz Dazzlers und spielte auch mit dem Urvater aller Modern Jazzer aus Südafrika, mit Kippie Moeketsi.
Für weitere Infos in Sachen Blue Notes und Anverwandtes möchte ich die wunderbare Seite von Matt Fowler empfehlen: http://www.mfowler.myzen.co.uk

10 – NORMAN HOWARD: Soul Resurrection (8:04)
Norman Howard (t), Joe Phillips (as), Walter Cliff (b), Corney Milsap (d)
Cleveland, OH – October 1968
taken from K7: Homeboy Music 2 („Burn, Baby, Burn“ – includes tracks from Homeboy Music 1, „Signals“)

[INDENT]Norman Howard ist eine dieser Gestalten, die kurz auftauchen (auf Albert Aylers Wiches and Devils), um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden… die Sessions mit Joe Phillips von 1968 waren schon damals für einen Release auf ESP-Disk‘ vorgesehen, der dann aber erst 2007 auf der CD Burn Baby Burn auch wirklich stattfand. Clifford Allen erzählt in den Liner Notes einiges dazu – mehr Infos und Musik auch beim obigen Link.
Das Stück ist statisch, einfach, wirkt aber geschlossen, „fertig“ gewissermassen, im Gegensatz zu anderen Stücken von diesen Sessions, die etwas unfertiges haben, manchmal eher nach Probe klingen als nach fertigen Aufnahmen. Joe Phillips spielte später unter dem Namen Yusuf Mumin auf dem tollen Album (und gewissermassen Blog-Underground-Klassiker) „Al-Fatihah“ des Black Unity Trios – mit Abdul Wadud (cello, bass) und Hasaan-Al-Hut (perc) (Hörprobe). Hoffentlich gelingt eines Tages ein Reissue davon!

11 – ARTHUR JONES: B.T. (Arthur Jones) 8:06
Arthur Jones (as), Beb Guérin (b), Claude Delcloo (d)
Paris – August 1969
Actuel (F)529350 / taken from: vinyl rip

[INDENT]Mit Arthur Jones sind wir wieder zurück im Trio-Setting von Anders Gahnold. Auch das Feuer, das er am brennen hält, ist demjenigen Gahnolds nicht unähnlich. Sein Sound ist zwar geschmeidiger, schwerer greifbar und einiges leichter, anders ist jedoch vor allem die konventionellere Begleitung durch Beb Guérin und Claude Delcloo, die mir allerdings ausgezeichnet gefällt und die ein tolles Fundament liefert für Jones‘ intensiven solistischen Flug. Das Stück stammt von einem der weniger bekannten Alben des berüchtigten BYG-Labels (da diese aufgrund ihrer Geschäftspraktiken eigentlich als Bootleg-Label zu gelten haben, erlaube ich mir hier einen Link). Sehr gut gefällt mir, dass bei Jones‘ schönem Ton klar wird, dass er zu jenen Freejazzern gehört, die ihre Hausaufgaben gemacht haben und im Bewusstsein der ganzen Jazzgeschichte spielen.
Jones war in der hohen Zeit von BYG kurz sehr aktiv, nahm mit Delcloo als Co-Leader auch noch das Album „Africanasia“ auf und spielte als Sideman mit Burton Greene („Aquariana“), Archie Shepp („Yasmina“), Sunny Murray („Sunshine“), Dave Burrell („Echo“), Clifford Thornton („Ketchaoua“), Frank Wright („Your Prayer“) und auf zwei Alben von Jacques Coursil („Black Suite“ und „Way Ahead“).

12 – LUIS RUSSELL: Doctor Blues (Luis Russell & Paul Barbarin) 3:15
Luis Russell (p, dir), Henry „Red“ Allen (t), Otis Johnson (t), J.C. Higginbotham (tb), Albert Nicholas (cl, as), Charlie Holmes (ss, as), Teddy Hill (ts), Will Johnson (bjo, g), George „Pops“ Foster (b), Paul Barbarin (d, vib)
Soloists:
New York – December 17, 1929
Okeh 8766, Voc 3840 / taken from CD: Retrieval RTR 79023 („The Luis Russell Story 1929-1934“, 2CD)

[INDENT]Ein kleiner change of pace… „Red“ Allen, J.C. Higginbotham, Albert Nicholas, Charlie Holmes (hier als Altsolist zu hören)… ein paar der allerbsten Solisten der späten 20er spielten in der Band von Luis Russell, der dank eines Lottogewinns aus seiner Heimat Panama in die USA emigrieren konnte. Die Band wird vom unglaublichen Drive von Pops Foster und den Drums von Paul Barbarin angetrieben… ein der besten Bands jener Zeit – kein Wunder übernahm Louis Armstrong sie später vollständig!
In den Soli, besonders in jenem von Allen, wir auch klar, dass Freiheit etwas sehr relatives ist… die gewagte Unbekümmertheit, mit der er hier drauflosbläst (und auch ein paar Fehler, die bei seiner Waghalsigkeit immer wieder passierten, problemlos so einbauen kann, dass sie nicht stören), die finde ich unglaublich, wenn ich mir vor Augen halte, dass diese Musik von 1929 stammt!
Das 2CD-Set, von dem dieses Stück stammt, sei jedenfalls allen Leuten mit offenen Ohren wärmstens empfohlen!

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