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1 – MARION BROWN: Black & Tan Fantasy (Bubber Miley & Duke Ellington) 5:36
Marion Brown (as)
Yale University, Yale, Ohio (USA) – 1982
Unreleased live recording (soundboard)
[INDENT]Marion Brown zum Auftakt, solo, unverfälscht, ungefiltert – mit seiner manchmal entgleitenden (ob bewusst oder ungewollt weiss ich nicht) Intonation… eine ikonoklastische Ellington-Interpretation, die dennoch grossen Respekt vor der Musik beweist. Für mich ist Brown einer der grossen des new thing, sein Tod im vergangenen Jahr stimmte mich traurig und ich wollte ihm hiermit meine Referenz erweisen. Wie er gegen Ende das Thema langsam ausdünnt, Töne weglässt, sich auf die Essenz beschränkt, das finde ich auch heute beim Wiederhören sehr schön.
Ich habe ihm schon letzten Herbst auf meinem Blog Tribut gezollt, falls Ihr weiterhören möchtet! Wer offizielle Releases bevorzugt, dem sei der ESP-Disk‘ CD-Reissue von Marion Brown Quartet (mit allen Stücken der Session!) oder Three for Shepp auf Impulse zum Einstieg wärmstens empfohlen!
2 – MARY LOU WILLIAMS: Kool (Mary Lou Williams) 2:45
Kenny Dorham (t), Mary Lou Williams (p), John H. Smith, Jr. (g), Grachan Moncur (b)
New York City – 1947
Disc 5033 / taken from CD: Chronological Classics 1050 („Mary Lou Williams 1945-1947“)
[INDENT]Dieses Stück hat anscheinend gar niemand richtig erraten können. Über den tollen Gitarristen (nicht Remo Palmieri, Bill de Arango oder Arv Garrison…) weiss ich leider überhaupt nichts. Mary Lou Williams verkehrte in den 40ern in der Szene um das Minton’s, kannte Monk und all die frühen Bebopper, obgleich ihre Musik nie dem Bop zugerechnet werden konnte. Eigentlich habe ich das Stück aber ausgewählt, um Kenny Dorham drinzuhaben, einer meiner liebsten Trompeter. Sein Spiel hier bewegt sich wie die ganze Musik irgendwo zwischen Swing und Bop und das finde ich wohl gerade das Spannende. Der Bassist ist übrigens der Vater des heute bekannteren Grachan Moncur III, der als Posaunist u.a. mit Jackie McLean gearbeitet hat und auf Blue Note zwei tolle Alben gemacht hat.
3 – TONY FRUSCELLA: Blue Lester (Lester Young) 3:42
Tony Fruscella (t), Gene DiNovi (p)
Gene DiNovi’s house, Brooklyn – 1952
taken from CD: Marshmallow Classics MYCJ-30124 („Booklyn Jam 1952“)
[INDENT]Das hier war einfacher… Tony Fruscella, der unbekannteste unter meinen Lieblingstrompetern und überhaupt Lieblinsgmusikern – musste einfach rein! Ich hab die „Brooklyn Jam“ CD auf und ab gehört, sie ist voll von abgehangener Musik – wohl nicht immer im guten Sinn abgehangen (falls man überhaupt so disponiert ist, dass man das gut finden kann), aber für mich ist das enorm stimmungsvolle Musik, die ich fast immer gerne höre. Sein Spiel hier ist so unglaublich lyrisch, so brüchig und doch so flüssig, fast wie ein Saxophon…
4 – LEE WILEY and BOBBY HACKETT with JOE BUSHKIN: Street of Dreams (S. Lewis & V. Young) 3:14
Lee Wiley (voc), Bobby Hackett (cor), with Joe Bushkin and his Swinging Strings: Joe Bushkin (p), Bill Goodall (b), Charlie Smith (d), Herb Baumel (vl), Gabriel Banat (vl), Dick Dickler (vla), George Koutzem (vc)
New York City – December 14, 1950
Col 39201 / CL 6169 („Night in Manhattan“) / taken from CD: Mosaic MD8-206 („Classic Columbia Condon Mob Sessions“, 8CD)
[INDENT]Lee Wiley – eine meiner Lieblingssängerinnen, neben Billie Holiday, Anita O’Day, Helen Merrill, Sheila Jordan, Chris Connor, June Christy… Wileys Phrasierung, ihre Stimme – abgehangen passt da wohl auch ganz gut als Beschreibung. Bushkins Begleitung ist natürlich professionell und üppig-sanft, aber Bobby Hacketts Trompete bringt schon im Intro eine Stimmung rein, die sich durch das Stück zieht. Das „Night in Manhattan“-Album gehört für mich jedenfalls neben den Gershwin-Sessions mit Bunny Berigan zum schönsten, was es von Lee Wiley gibt. Und über sie ist mindestens entfernt auch die Condon Gang noch mit einem Fuss in meinem BFT drin – eine Musikszene für sich, die parallel zum blühenden Small Group Swing und dem aufkeimenden Bebop in New York über viele Jahre bestand hatte, und zu der Wiley gehörte.
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