Re: Clark Terry

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gypsy-tail-wind
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Cookin‘ enstand unter der Leitung von Paul Gonsalves. Die Band war dieselbe, aber ohne Gitarre, also Terry, Jones, Woode und Woodyard. Die Atmosphäre ist sofort eine andere, Woodyard lässt schon im ersten Stück „Festival“ im Thema wie ein Bopper die Bass-Drum erklingen… und Gonsalves setzt aus dem Thema heraus nahtlos zu einem Solo in seinem typischen No-Bullshit-Stil an. Das Album besteht aus zehn Stücken, dauert nahezu vierzig Minuten – und Willie Jones kriegt Raum, sich zu entfalten.
Gonsalves zu hören ist für mich stets ein Genuss – wie er mit seinem grossen aber gegen aussen hin leicht samtenen Ton lange Linien konstruiert, mit Repetition schafft und mit einer grossen Klarheit und Umsicht seine Soli bläst – dabei ungeheure Spannung aufbauen kann, ohne je im Stile eines Illinois Jacquet oder Flip Phillips vulgär zu werden und in die Trickkiste zu greifen, das hat Klasse! Das berühmteste Beispiel ist natürlich sein langes Solo mit Ellington am Jazzfestival in Newport 1956, aber auch hier kriegt man viele Kostproben seines grossen Könnens.
In „Clark’s Bars“ glänzt Terry mit seinem singenden Ton, Jones spielt ein kurzes, dichtes Solo, dann folgt wieder Gonsalves, dieses Mal äusserst entspannt, mit in den tiefen Lagen sehr warmem Ton. Im zweiten Stück über Daddy O-Dailys Pation glänzt Jones erneut mit einem kurzen Solo. Terry eröffnet den „Blues“, in wechselnden Solo-Phrasen mit Gonsalves beginnt das Stück, dann steigt die Rhythmusgruppe ein. Jones ist erdig und funky, aber noch auch hier mit dichtem, akkordischen Spiel. Gonsalves und Terry solieren danach in einem Dialog, teils abwechselnd, teils gemeinsam – beide sehr zurückhaltend, lyrisch und zugleich äusserst bluesig. Wunderbar!
„Impeccable“ ist genau das… eine makellose Ballade von Terry, der zuerst das Thema präsentiert, worauf Gonsalves wieder mit einem äusserst gedämpften Solo folgt – sehr schön, dieses ganz bewusste sich Zürücknehmen.
„Paul’s Idea“ gehört dann wieder fest Gonsalves und er spielt ein weiteres tolles Solo. „Phat Bach“ stammt von Terry, das Thema bietet Jones viel Freiraum für seltsam gesetzte, akkordische Fills. Terry bläst ein schönes kurzes Solo, Gonsalves folgt ihm, dann ein altmodischer Shout-Chorus, der Woode ein wenig Platz bietet, bevor das Stück mit Gonsalves ausgeblendet wird. „Milli Terry“ ist natürlich wieder Terry, und hier scheint seine musikalische Frohnatur durch – die Band swingt wie wild, Terry spielt das erste Solo, fängt mit simplen Phrasen an, die er wiederholt und abwandelt, bevor er in Läufe und repetive Ein-Ton-Phrasen wechselt. Gonsalves bläst ein schönes Solo, aber Woodyard kommt leider schon wieder mit seinen Rim-Shots… das mag hie und da passen, aber auf diesem Album bringt er das ein wenig zu oft, finde ich.
„Funky“ stammt nochmal von Terry, wieder stellen die Bläser im Stoptime zuerst das Thema vor, dann folgt Jones mit einem tollen Solo. Das Album endet schliesslich mit der kurzen Ballade „The Girl I Call Baby“.
Ein schönes Album, aber letzten Endes etwas eintönig.

Mit In Orbit folgt das dritte Riverside Album, das bemerkenswert ist, weil Thelonious Monk als Sideman dabei ist – er holte seinen Freund Clark Terry für die letzte Session zu „Brilliant Corners“ (Ernie Henry verliess Monks Band, um mit Dizzy Gillespies Big Band auf Tour zu gehen, also wollte Monk Henry auch nicht mehr im Studio debei haben). Hier spielt nun Monk in einem seiner letzten Sideman-Auftritte, begleitet werden die beiden von Sam Jones und Philly Joe Jones. Clark Terry hat wieder mehr Raum als auf dem Album von Paul Gonsalves, die Begleitung ist überdies viel spannender, Philly Joe treibt wie immer gewaltig an, und Terry kommt auch mit Monks eigenwilligem Piano problemlos zurecht.
Zu den Höhepunkten des Albums zählt „One Foot in the Gutter“, das Terry gemeinsam mit Ray Brown geschrieben hat. Er nahm es zwei Jahre später erneut auf und es gab dem Album von Dave Bailey auch den Titel. Für die Session wurde auch eine rare Ballade ausgegraben, „Trust in Me“ – wunderschön, wie Terry das Stück minimalistisch präsentiert, aber sein Vibrato singen lässt – anscheinend hat er auf dieser ganzen Session ausschliesslich Flügelhorn gespielt, hier glaube ich das zu hören.

Im Februar 1959 nahm Terry sein viertes und letztes Riverside-Album als Leader auf. Als Sideman sollte er dem Label noch einige Male nützlich sein, so auf Jimmy Heaths „Really Big“, „Budd Johnson and the Four Brass Giants“, Yusef Lateefs „The Centaur and the Phoenix“, und Johnny Griffins „The Big Soul Band“.
Top and Bottom Brass nun mag auf den ersten Blick nach einem gimmick aussehen, aber die Paarung von Terrys Trompete und Flügelhorn mit der Tuba von Don Butterfield funktioniert wunderbar. Begleitet werden die beidem von Jimmy Jones, Sam Jones und Art Taylor, die Session läuft sehr entspannt ab, Terry glänzt in diesem Setting, das zwischen Bop und Swing fluktuiert – er war wohl schon damals ein Mainstream-Musiker, als diese Art von Mainstream etwa auf Alben, die Norman Granz für Verve produzierte, oder auf Swingville-Alben von Prestige erst im Entstehen war.
Sehr schön ist Terrys Version von „My Heart Belongs to Daddy“, einem meiner liebsten Cole Porter-Stücke. Toll auch sein Solo auf „Blues for Etta“, das er nur auf dem Mundstück bläst… ob Etta Jones oder sonst eine Etta die Adressatin der Widmung ist geht aus Orrin Keepnews schwadronierenden Liner Notes leider nicht hervor.

1959 verliess Terry nach etwa neun Jahren das Orchester von Duke Ellington und schloss sich der neuen Big Band von Quincy Jones an. Er nahm an den Aufnahmen zu mehreren Alben teil, die auf Mercury und dem Sub-Label Trip erschienen. Auf „The Birth of a Band“ gehört ihm die Ballade „I Remember Clifford“ ganz allein, und er nutzt sie dazu, sein unglaubliches Können als Balladen-Interpret zu demonstrieren.

In derselben Zeit, als die Sessions mit Jimmy Heath und Budd Johnson für Riverside stattfanden, nahm Terry auch für Prestige auf – er sass u.a. in der Big Band, die Oliver Nelson für Eddie „Lockjaw“ Davis‘ tolles Album „Trane Whistle“ zusammenstellte.

1959 war Terry mit Quincy Jones in Paris – auf diesem Trip wurde ein Album für die französische Decca eingespielt, es wurde 2002 von Storyville auf CD neu aufgelegt.
Die Rhythmusgruppe bestand einmal mehr aus Jimmy Woode und Sam Woodyard, der alte Freund Paul Gonsalves stand Terry wieder einmal als „foil“ zur Verfügung, und am Piano sass Raymond Fol, der sich wacker schlägt, stark nach seinem grossen Vorbild Duke Ellington klingt, aber auch mit Monks „Pannonica“ bestens zurecht kommt. Die Musik bewegt sich einmal mehr zwischen Bop und Swing, neben einigen Terry-Originals (darunter neue Versionen von „Serenade to a Bus Seat“ und „Clark’s Bars“) und zwei Versionen von Monks Ballade stehen auch ein Standard („Mean to Me“), ein Ellington-Klassiker („Satin Doll“) sowie ein Original von Babs Gonzalez („Lonely One“) und Raymond Fol („Circeo“) auf dem Programm.
Terry und Gonsalves ergänzen sich ideal, nachzuhören etwa in „Serenade…“ oder den Exchanges in „Pea-Eyes“, einem weiteren Terry-Original. Fols Original bietet den damals üblichen „south of the border“-Romp, und Fol ist der Solist in „Satin Doll“, als einziger nicht-Ellingtonian. Auf „Pannonica“ ist Gonsalves wieder in dieser gebremsten, gedämpften Art und Weise zu hören, er schlängelt sich durch Monks Thema, derweil Fol Farbtupfer dazugibt und mit Woode das Stück so weit wie nötig ausspielt.
„Mean to Me“ wird für einmal als Ballade interpretiert, Terry öffnet mit einem blechigen Solo, für einmal ohne seinen singenden Ton – das bietet aber einen tollen Kontrast zu Gonsalves. Die mit Abstand längste Nummer der einstündigen Session ist „Blues for the Champ of Champs“ von Terry, ein funky Riff-Blues im walkenden Medium-Tempo. Einen weiteren Blues hat Terry mit „Daniel’s Blues“ beigesteuert. Mit „Lonely One“, dem Stück von Babs Gonzalez, endet das Album mit einer lyrischen Note.

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