Re: 2011 – Erwartungen und Eindrücke

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go1
Gang of One

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firecrackerNachdem ich einiges übers PJ Harvey-Album gelesen hatte, verging mir irgendwie die Lust… Bzw. ist’s auf der (imaginären) Liste der Alben, die ich noch hören möchte, recht weit nach hinten gerutscht. Geschichten erzählen/Situationen (und dann noch geschichtliche) beschreiben ohne persönlichen Bezug? Aber ich möchte mich nicht streiten. Sind ja auch nicht meine Eindrücke gewesen.

Wessen Eindrücke auch immer das gewesen sein mögen, sie sind jedenfalls verkehrt. Die Songs auf Let England Shake haben selbstverständlich einen „persönlichen Bezug“ – Polly betreibt bloß keine Nabelschau. Sie blickt hinaus in die Welt und speziell auf England und sieht Krisen und Kriege – also macht sie ein Kriegsalbum, das von Grausamkeit und Gleichgültigkeit, vom Leiden und Sterben erzählt. Sie tut das anhand von Einzelheiten und anhand geschichtlicher Ereignisse (mehrmals Gallipoli, einmal Irak), weil sie dadurch der Gefahr entgeht, Phrasen zu dreschen oder zu predigen, aber sie gestaltet damit natürlich etwas Allgemeines, aus ihrer persönlichen Perspektive heraus. Dabei experimentiert sie zugleich erfolgreich mit neuen Ausdrucksmitteln, die sie vorher nicht verwendet hat (Gesang, Instrumentierung usw. – auch Mitsing-Melodien hat man mit ihr nicht in Verbindung gebracht – wobei man hier eben Zeilen über missgebildete Kinder mitsingt). Und das Ergebnis ist durchaus „englisch“: es atmet den Geist alter Folk-Songs, die auch oft von Grausamkeiten erzählen, bringt diese Tradition aber in die Neuzeit (viele Tracks klingen ja eher „new-wavig“ als „folkig“, durch die Gitarre oder das punkige, rohe Saxophon). Eines der Alben des Jahres bisher (mit „All and Everyone“ als einem der Songs des Jahres); das solltest Du Dir nicht entgehen lassen.

Eine Liste kriege ich ansonsten noch nicht zusammen. Neben PJ Harvey haben mir vor allem Callahan und Destroyer gefallen (Kaputt ist ein Album wie ein Sommerurlaub, mit einem Sound zum drin schwimmen). Manches andere habe ich einfach noch nicht oft genug gehört (z.B. das Album der Unthanks, das zumindest sehr gut anfängt).

Enttäuschend fand ich die Strokes (ca. ein guter Song, mehrere schlechte Ideen) und auch von Alela Diane oder von June Tabor hatte ich mir mehr versprochen (Ashore ist ein gutes Album, hat aber meines Erachtens deutliche Längen, mit mindestens zwei überflüssigen Songs und einem behäbigen Morris-Tune). Das Deep House-Album von Steffi lebt auch eher von zwei, drei Highlights als im Ganzen zu überzeugen. Zu Kurt Vile finde ich keinen Zugang, aber mal sehen, vielleicht wird’s noch.

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To Hell with Poverty