Re: BB’s cineastisches Hinterzimmer

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blitzkrieg-bettina

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Theatre of Blood (Theater des Grauens), 1973, Douglas Hickox

„Ihr spritzt Gift auf das schöpferische Werk wahrer Künstler weil euch selber alle Talente versagt geblieben sind!“

Vincent Price (1911-1993) war neben Christopher Lee, Peter Cushing, Boris Karloff, Lon Channey und Bela Lugosi einer der Ikonen des klassischen Gruselfilms. Obwohl seine über sieben Jahrzehnte andauernde Karriere auch Film Noirs, Western und Historienfilme beinhaltete und er sich auch als Kochbuchautor und Kunstsachverständiger hervortat stellt man sich ihn vor dem geistigen Auge hauptsächlich entweder als dekadenten englischen Aristokraten in gotischen Gemäuern oder als irrer Wissenschaftler bei seinen wahnsinnigen Experimenten vor. Sein persönlicher Favorit war allerdings keiner der bekannten Klassiker wie „Die Fliege“ oder „Der Rabe – Duell der Zauberer“ sondern „Theatre of Blood“, ein Werk des weitgehend in Vergessenheit geratenen Briten Douglas Hickox.

Price spielt Edward Lionheart, einen Bühnendarsteller dessen Lebensmaxime man in einem kurzen Schlagwort zusammenfassen kann: „Ein Leben für Shakespeare“.
Lionheart hat sich so sehr dem Werk des Stratforder Dramatikers verschrieben das er sämtliche moderneren Stücke ablehnte. Leider ist sein Spiel derart hölzern und affektiert das er seine Kritiker regelmässig zu Spott und Hohn herausfordert. Als der renommierte Kritikerkreis statt an ihn an einen hoffnungsvollen Jungschauspieler geht sucht er eben jene Kritiker auf um auf seine gewohnt theatralische Art den bekannten Hamlet-Monolog darzubieten und danach vom Balkon in die Themse zu springen.
Kurz darauf finden einige seltsame Morde statt: Der Bauunternehmer und Kritiker George Maxwell wird – von mehreren Messerstichen durchbohrt – gefunden, sein Kollege Hector Snipe wird von einem Pferd zu Tode geschleift, und ein anderer Theater-Rezensent namens Horace Sproud wird eines morgens mit abgetrennten Kopf im Hotelzimmer gefunden.
Der Vorsitzende der Kritikervereinigung, Mr. Peregrine Devlin, beschliesst der Sache auf den Grund zu gehen und entdeckt das alle 3 Morde nach dem Vorbild von Shakespeare-Tragödien verübt wurden: Maxwell starb durch genauso viele Dolchstösse wie Julius Caesar, Snipes Todesart entspricht der von Hektor in „Troilus und Cressida“, Sprouds hingegen verstarb auf ähnliche Art wie König Cymbeline.
Das nächste Todesopfer, Trevor Dickman, bekommt wie Antonio im Kaufmann von Venedig ein Pfund Fleisch herausgeschnitten – infamer weise wurde Shakespeare anscheinend zu diesem Zwecke umgeschrieben. Doch wer wäre so infam sich mit Shakespeare zu messen – doch wohl nur der der sich für den grössten Shakespeare-Mimen überhaupt hält, nämlich Edward Lionheart!
Also, so folgert Devlin, kann er nicht Tod sein sondern hat seinen Suizid nur vorgetäuscht! Tatsächlich plant Lionheart Devlin in einer öffentlichen Fechtschule nach dem Vorbild von „Romeo und Julia“ zu ermorden, dies misslingt zwar, aber Lionheart offenbart ihm seinen teuflischen Plan sich bei den kritikern die ihm nicht wohlgesonnen waren zu rächen, alles nach Vorlage der Stücke von Shakespeare! Unterstützung enthält er dabei von seiner ihm absolut treu ergebenen Tochter Edwina (Diana Rigg).
Lionheart gelingen noch einige Morde – so wird der Kritiker Oliver Harding wie in „Richard III.“ in einem Weinfass ertränkt, Miss Moon wird unter einer Trockenhaube geröstet während Lionheart dazu den Text rezitiert der bei der Verbrennung der Jungfrau von Orléans in „Heinrich VI“ gesprochen wurde.
Der übergewichtige Meredith Merridew hingegen wird dazu gezwungen seine beiden heissgeliebten Schosshunde zu essen, sowie die Gotenkönigin in „Titus Andronicus“ ihre eigenen Kinder essen musste.
Solomon Psaltery wird dazu gebracht wie Othello seine Frau aus Eifersucht umzubringen, eine lebenslängliche Haftstrafe scheint für Lionheart einem Todesurteil gleichzukommen.
Schliesslich plant er auch Devlin den Garaus zu machen, in dem er ihn nach dem Vorbild von „König Lear“ blendet, um sich selber den Kritikerpreis zu verleihen. Dabei steckt er jedoch das morsche Theatergebäude auf welchem die Preisverleihung stattfindet in Brabd und stirbt in den Flammen.

Wie gesagt war „Theatre of Blood“ der erklärte Lieblingsfilm von Vincent Price. Warum ausgerechnet dieses Werk kann man sich fragen, ist es wirklich herausragender als anderes in dem Price mitgespielt hat? Es ist ja nicht zu übersehen das der Streifen erhebliche handwerkliche Schwächen hat, so ist die musikalische Untermalung ja nun eher zeitbedingt-beschwingt, jedoch für heutige Ohren eher nervig, generell ist der Film von Hickox eher holperig inszeniert, natürlich sind die schauspielerischen Leistungen hervorragend, und man merkt wie genial Shakespeares Texte eigentlich waren wenn sie in einen anderen Kontext gesetzt werden. Aber ansonsten ein Film den man für seine schwarzhumorige Grundidee schätzen kann, aber sicher nicht als zeitloses Meisterwerk.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eventuell das Price zur selben Zeit zweimal die Rolle des Dr. Phibes spielte, ebenfalls eine sehr rachsüchtige Figur, diesmal geht es nicht um schlechte Theaterkritiken, sondern viel mehr um einen ärztlichen Kunstfehler. Dies nur am Rande, denn es hat denke ich nichts mit Price´ Wertschätzung für „Theatre of Blood“ zu tun.
Vielmehr dürfte ihn denke ich das Thema gereizt haben: Jeder Künstler, gleich ob Schauspieler, Musiker, Filmemacher, Schriftsteller oder Maler dürfte sich mindestens einmal im Leben über negative Kritiken geärgert haben und daraufhin den Wunsch verspürt haben sich an eben seinen Kritikern zu rächen. Gerade Vincent Price, bei dem vieles aus seiner Karriere eher unter B-Movie laufen dürfte wird sicher oft durch Rezensionen gekränkt worden sein, und das als jemand der eigentlich von Haus aus ein Charakterdarsteller der grossen Bühnen ist. So ein Film dürfte also ein Geschenk sein, denn er befriedigt den Wunsch diverse Kränkungen auszutreiben, bietet ausserdem tiefschwarzen englischen Humor, trotz allem kann man es noch an Hommage an Shakespeare interpretieren, so das über die diversen Schwächen gerne hinweggesehen werden kann.

Die finale Frage ist nur: Begebe ich mich ebenfalls in Gefahr wenn ich diesen Text verfasse, der ja auch so etwas wie eine Rezension/Kritik ist? Wird sich Vincent Price eventuell aus seinem Grabe erheben um mich seine Rache spüren zu lassen?

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Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.