Re: Albert Ayler

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redbeansandrice

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nail75Vielleicht verfolgte Ayler die Absicht, die im Grunde selbstbezogene, introvertierte Musik von Coltrane wie eine Botschaft nach außen zu tragen, was Coltrane – über die reine Musik hinaus – ja nie getan hatte. Insofern macht „holy ghost“ vielleicht sogar mehr Sinn als irgendeine andere Bezeichnung, denn das bezeichnet, was Ayler gerne gewesen wäre: der Quell der Erleuchtung. Prosaisch gesprochen vielleicht auch: der Vermittler.

das wär jedenfalls eine ziemlich schlüssige Geschichte, auch wenn ich sie eigentlich nicht glaube… bin mir nicht ganz sicher, ob sich Ayler so stark auf Coltrane bezogen hat, grad zu Anfang; also, er hat sich zweifellos sehr stark auf ihn bezogen… aber irgendwie hab ich eher den Eindruck, alles in allem hat Ayler seine Mission schon unabhängig von Coltrane formuliert und dann bei Coltrane Parallelen gefunden… hab vorhin nochmal den Essay über Aylers frühe Jahre in Europa aus der Holy Ghost Box gelesen (hier steht er auch), wie Ayler wieder und wieder ohne Kompromisse in Konzerten von Mainstream-Jazzern auf die Bühne geklettert ist um seine fröhliche Botschaft zu präsentieren (mit sehr sehr mäßigem Erfolg); schwer zu sagen, wieviel diese Phase mit Coltrane zu tun hatte, wieviel „schon da war“ zu dieser Zeit, und in welche Richtung die Einflüsse zwischen den beiden gingen – Coltrane war sicherlich auch einfach sehr wichtig als jemand, der ihn ernst nahm und unterstützte…

was New Grass betrifft steht auch in der Revenant Box, das dort ganz deutlich ein Einfluss der Plattenfirma stattfand, nicht so sehr, dass am Ende ein stromlinienförmiges Produkt herausgekommen wär, aber letztlich dann doch; ist ja auch irgendwie kurios zu sehen, dass es weniger erleuchteten Künstlern wie (um mal zwei sehr unterschiedliche zu nennen) Barney Wilen und Pharoah Sanders sehr viel leichter fiel, die Erkenntnisse des Free Jazz zusammen mit etwas Esoterik und populärerer Musik zu einem schlüssigen und halbwegs massentauglichen Ganzen zu verschmelzen… die späten Ayler Alben sind ja eher sowas wie Manifestationen eines sehr verqueren Weltbilds, dessen Enden sich kaum noch zusammenfügen lassen…

was anderes, hier kann man sich das komplette Cricket Heft ansehen, das in der Holy Ghost Box nur teilweise reproduziert ist… Highlight ist sicher Aylers „To Mr Jones – I had a vision“… dazu hab ich direkt mal zwei Fragen: seh ich das richtig, dass „Elijah Mohammed [?] is the true prohet“ eine islamische Ausnahme in einem ansonsten christlich geprägten Text ist? und was meint er wohl mit „To Mr Jones“, „an den einfachen Mann“ oder ist das eine Anspielung auf Amiri Barakas bürgerlichen Nachnahmen?

Von Baraka, dessen stärkere Texte ich sehr schätze, sind einige ziemliche Machwerke im Heft gelandet, etwa der Verriss von Andrew Hills Grass Roots, wo schon das Coverfoto aus ideologischen Gründen bemängelt wird, oder das Gedicht „Rock Band“ mit dem markanten Refrain „White shit white shit white shit“; ein ganz interessanter Text ist der offene Brief des Black Unity Trios aus Cleveland in der Gossip-Spalte („We the Black Unity Trio […] welcome the free exchange of ideas and will assist you in any way possible. We were once The Cleveland United Black Artists […] but most of the members were lost and the others were too weak or indifferent.“

@nail: in welchen Punkten hättest du denn Widerspruch erwartet?

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