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Nach dem rätsel- und zauberhaftem WHITE CHALK war ich doch sehr kritisch, was ein neues PJ Harvey anging. Gut, dass ich mir den windschiefen Frühstücksfernsehen Auftritt erspart habe, er hätte meine Bedenken bestärkt. Sicherlich war auch wenig förderlich, dass die LP Seiten nicht beschriftet waren und ich mit der B Seite und dem wiederum schiefen England begann. Nach einigen Hördurchgängen muss ich mich aber in die Riege der Bewundere einordnen.
Ich weiß nicht, ob sich PJ Harvey wieder neu erfunden hat und lassen wir erst mal die bedrückenden Texte beiseite, die Musik steht hier für sich. Jedes Lied bietet ein spezielles Bonbon, was von Mal zu Mal Hören sich tiefer ins Ohr bohrt und sich dort gemütlich macht, die geklaute Xylophon Melodie im Titellied, das beinahe soulige Saxophon oder die zummarschblasende Trompete im textlich wie musikalisch besten Track The Glorious Land, der bei mir den größten Eindruck hinterlassen hat. „And what ist the glorious fruit of our land?“ fragt Polly, mit einem geisterhaften, kindlichem Chor im Background… „its fruit is orphaned children“. Die Verzweiflung und Dringlichkeit erinnert mich irgendwie an Portishead, auch wenn PJ davon doch einiges entfernt klingt. Der Bonbon in The Words That Maketh Murder ist der Reggae Beat, der Soldatenchor und John Parishs leise untermalende Posaune und die unwiderstehliche Hommage an Cochrans Summertime Blues: What if i take my problems to the United Nation? Nach vier potentiellen Singles kommt das auch musikalisch etwas schwermütige All And Everyone (mit tollen Breaks, die den Tracks ent- und beschleunigen) zur rechten Zeit und On Battleship, in dem PJ noch einmal die WHITE CHALK Stimme auspackt, rundet die perfekte A Seite ab.
Die zweite Seite ist nur ungleich weniger gut, auch wenn Stimme und Stimmung im folkig-ruhigen England zu kippen scheinen, geht es mindestens genauso abwechslungsreich wie auf Seite A weiter. In Bitter Branches packen Parish und Mick Harvey die E Gitarren aus, das geflüsterte Hanging In The Wire klingt wie verhuschter Twee Pop. Ich mag die rückwärts (?) abgespielten Gitarren in Written On The Forehead und The Colour Of The Earth klingt wie ein uraltes Traditional. Das Blut klebt, schmeckt aber verdammt süß.
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and now we rise and we are everywhere