aus der Berliner Zeitung von heute:
Berliner ZeitungDes Henkers schöne Töchter
Die Smoke Fairies spielten im Comet Club
von Jacek SlaskiUrsprünglich waren die Smoke Fairies ein Duo, bestehend aus den beiden Gitarre spielenden Sängerinnen Jessica Davies und Katherine Blamire; mittlerweile herangewachsen zu einer fünfköpfigen Band sind sie tatsächlich ein wahr gewordener Mädchentraum, geboren in den frühen Neunzigejahren tief in der südenglischen Provinz. Am Mittwochabend traten die Smoke Fairies im Comet Club erstmals vors Berliner Publikum und stellten dort ihr kürzlich erschienenes großartiges Debütalbum „Through Low Light and Trees“ vor. Ein düsteres, vom Blues und Folk erfülltes Werk, auf dem sie Lieder über Drachen, Einsamkeit und alte Eisenbahnen singen und das schon Jack White, Richard Hawley und Bryan Ferry begeisterte.
Offensichtlich bot der wahr gewordene Mädchentraum aber wenig Identifikationspotential für junge Frauen, denn wie bei den prominenten Fürsprechern der Band, so herrschte auch im Publikum ein deutlicher Überschuss an Männern über 40, die allerdings mit immer größer werdender Begeisterung den Damen beim Musizieren zusahen.
Seit ihrer frühsten Jugend sind Davies und Blamire miteiander befreundet, und schon damals wollten sie Musikerinnen werden. Gemeinsam durchstöberten sie die elterliche Plattensammlung und entdeckten ihre Liebe für amerikanische Country- und Folkrocker; vor allem Crosby, Stills, Nash and Young haben es ihnen angetan. Zusammen verließen sie auch England, um in New Orleans und später in Vancouver zu leben.
Begleitet von einem Bass, Geige und Schlagzeug spielendem Herrentrio, auf das die Hipsterinsignien Vollbart, klobige Nerdbrille und ein wunderbarer Schnauzer paritätisch verteilt waren, präsentierten sie nun den Ertrag ihres von enger Freundschaft und Musik geprägten Lebenswegs. Glockenhell, klar und voller Kraft flossen ihre Stimmen zu den bezauberndsten Harmonieflüssen zusammen, güldenen Wasserfällen gleich sangen sie, als wären sie nicht zwei, sondern nur ein Wesen. Selbst während der Solopassagen klang die zweite Stimme stets stumm mit, getragen von jahrhundertealten Melodien längst vergessener Lieder. Sirenenhafte Gesänge der Nebelfeen, unfassbar schön, mystisch und unheilvoll zugleich. Vergleiche mit Sandy Denny und Jacqui McShee, den großen Sängerinnen des englischen Folkrock, zwangen sich auf. Dabei beließen es die Smoke Fairies nicht bei jenem Minimalismus, den man von jungen Songwritern gewohnt ist. Dicht wob die Band ihre Arrangements um die Stimmen, ohne jemals ins Rockige zu verfallen. Schwüle Twang- und Slidegitarren, irrlichternde Geigenparts und staubtrockene, stakkatohafte Schlagzeugbeats erklangen allerorts. Die perfekte Symbiose aus der sumpfig dahinpolternden Musik der amerikanischen Südstaaten, gepaart mit der Sensibilität und Bilderwelt der altenglischen Folklore. Schon Fairport Convention und Pentangle, die Klassiker des englischen Folkrock der Sechziger- und Siebzigerjahre, fanden zu dieser transatlantischen Verbindung.
Im Folk ist Kontinuität jedoch kein Tabu. Er lebt von dem, was vorher war, es ist eine schöne Tradition, und Jessica Davies und Katherine Blamire kennen sie gut. Im Jahr 1968 nahm die Incredible String Band, legendäre Folkrockgruppe aus den schottischen Hochmooren, ihr drittes Album auf, es hieß „The Hangman’s Beautiful Daughter“, des Henkers schöne Tochter. Auf dem Cover sah man eine kauzige Waldhippie-Kommune, Männer in seltsamen Gewändern, Frauen in bunten Ponchos, und auch einige Kinder waren darunter, sie trugen spitze Hüte und schauten selig. Es bedarf nicht viel Fantasie, um in ihnen Jessica Davies und Katherine Blamire zu erkennen. Die würdigen Erbinnen jener Ära.
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