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Bin zum zweiten Mal am Teddy Wilson Storyville-Set – das Set ist wirklich jedem Swing- und Piano-Liebhaber wärmstens zu empfehlen, auch wenn leider die Qualität der Überspielungen in manchen Fällen nicht sonderlich gut ist (Alex hat das bereits angesprochen).
Die Big Band, die Wilson 1939 gründete, nachdem er Goodman verliess, ist auf CD1 zu hören. In ihr sitzen Ben Webster (ts), Harold „Shorty“ Baker und Karl George (t), Rudy Powell (as, cl), die Rhythmusgruppe besteht aus Al Casey (g), Al Hall (b) und J.C. Heard (d). Eine feine Band, der leider kein kommerzieller Erfolg beschieden war. Zu hören sind neun Stücke, umrahmt vom Band-Thema „Little Things That Mean So Much“. Die Big Band-Aufnahmen wurden zuvor auf einer Jazz Unlimited CD veröffentlicht (Storyville-Sublabel), die auch Solo-Aufnahmen enthält, die nicht in der Box zu finden sind.
Aus Wilsons früheren Jahren sind zudem die Keystone Transcriptions zu hören, Solo-Aufnahmen von 1939/40 (auf CD1 und CD2), die von Alex obene erwähnten tollen Associated Transcriptions des Sextetts mit Emmett Berry (t), Benny Morton (tb), Edmond Hall (cl), Slam Stewart (b) und Sid Catlett (d) von 1944 (damit endet CD2, ab da werden die Jahre ziemlich durcheinandergeworfen), sowie ein All Star Sextett mit Charlie Shavers (t), Red Norvo (vib), Remo Palmieri (g), Al Hall (b) und Specs Powell (d) von 1945 (CD4).
CD3/4/5 enthalten zum Grossteil Trio-Aufnahmen aus den Fünfzigerjahren – Wilson war damals bei Norman Granz unter Vertrag und nahm für dessen Verve Label ebenfalls eine längere Reihe von Trio-Alben auf: „Intimate Listening“ (1952/53), „Two Trios“ (1954, Japan-CD), „For Quiet Lovers“, „I Got Rhythm“, „The Impeccable Mr. Wilson“ und „These Tunes Remind Me Of You“ (alle 1956), „The Touch of Wilson“ (1957) sowie nicht sonderlich tolle Live-Aufnahmen aus Newport (LP mit Mulligan geteilt, der in Wilsons Set als Gast auftaucht) und Stratford (beide 1957). Mosaic hat diese zum grossen Teil sehr guten Aufnahmen in einer Box gesammelt – Essential Jazz Classics, eins der allerliebsten Euro-PD-Label, hat die vier LPs von 1955/56 mit Jo Jones auf einem 3CD-Set erneut vorgelegt und noch eine Benny Carter-Session (ein Trio von 1954 mit Wilson und Jones) reingeworfen. Das sind wohl auch die besten der Verve-Alben.
Im Storyville-Set treffen wir auf CD3 und CD4 Wilson mit Arvell Shaw und Bert Dahlander (1959), denselben mit dem höchst willkommenen Gast Edmond Hall (ca. 1953/54), mit Shaw und J.C. Heard (ca. 1954/55), mit Walter Page und Jo Jones sowie den Gästen Dizzy Gillespie und Coleman Hawkins (1955), Milt Hinton und Jo Jones sowie den Gästen J.J. Johnson & Kai Winding und Hank D’Amico (1955), sowie mit Gene Ramey und Jo Jones, Milt Hinton und Specs Powell, Al Lucas und Jones, Lucas und Bobby Donaldson und unbekannten Begleitern (alle 1956, alle auf CD5). Die einzelnen Radio-Broadcasts nur 15-20 Minuten, von manchen (1956) sind auch nur ein oder zwei Stücke zu hören, es gibt zudem immer wieder Ansagen, kurze Themen, um die Sendungen zu beginnen und zu beenden. Aber da steckt doch sehr viel schöne Musik dazwischen.
Mit CD6, CD7 und CD8 springt das Set dann zu den Eigenproduktionen für Storyville, die Wilson spät in seiner Karriere eingespielt hat. CD6 präsentiert ihn 1979 live mit Hugo Rasmussen und Ed Thigpen (The Teddy Wilson Trio, derzeit als In Copenhagen zu finden), auf CD7 hören wir eine erweiterte Version von Revisits the Goodman Years, das 1980 mit Jesper Lundgaard und Ed Thigpen im Studio in Kopenhagen aufgenommen wurde. CD8 schliesslich beginnt mit einer kurzen Aufnahme von 1968 mit NHOP und William Schiopffe und endet dann mit einem Solo-Konzert von 1983, das ursprünglich als Alone veröffentlich wurde.
Von 1968 scheinen auf der CD The Noble Art of Teddy Wilson noch weitere Aufnahmen zu hören zu sein (#1-6 entsprechen #1-6 auf CD8 der Box). Sechs von diesen Stücken (auch welche, die nicht in der Box sind) sind auch auf Masters of Jazz zu finden, einer Compilation, die wohl ausreichen dürfte, um die Neugierde zu wecken.
Es scheinen in der Box also abgesehen von einem Album mit dem Klarinettisten Eiji Kitamura und anderen japanischen Musikern (1970) und von drei Vierteln von „The Noble Art“ alle zuvor von Storyville veröffentlichten Wilson-Aufnahmen enthalten zu sein. „The Noble Art“ ist als MP3 zu haben, als CD wie es scheint vergriffen und ziemlich teuer geworden.
Edit: ich möchte noch ergänzen, dass Brian Priestleys Liner Notes sehr gut sind, einen knappen Überblick über Wilsons Werk bieten und immer mal wieder tiefer in die Materie gehen, mit Kommentaren zu einzelnen Sessions, Musikern oder Stücken, die im Set zu hören sind.
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