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Nichts für ungut, SVM, aber diese Aussage:
Some Velvet MorningIn den Nullern ist es gänzlich uncool geworden deutsche Musik zu hören. Die Besatzungsmächte haben ihr Ziel erreicht.
die war einfach hanebüchener Unsinn. Der erste Teil stimmt schon rein faktisch nicht (in welchen Kreisen soll das denn der Fall gewesen sein?); und der zweite Teil („die Besatzungsmächte“) ist reines Ressentiment. Solches Gerede entquillt normalerweise nur den Stolzdeutschen, die sich einen schwarzrotgoldenen Fleck aufs Hirn gemacht haben. Einen solchen Satz von Dir lesen zu müssen, hat mich auch schockiert; den Satz hat tops Dir völlig zurecht um die Ohren gehauen. Der Satz unterstellt, „wir Deutschen“ müssten „eigentlich“ Musik aus dem „eigenen Land“ hören und stolz darauf sein, was diese Nation an Kultur hervorbringt. Das ist die Ideologie derjenigen, die gerne von einem „gesunden“, „unverkrampften“ oder „natürlichen“ Verhältnis zur „eigenen Nation“ schwadronieren, das den Deutschen angeblich „ausgetrieben“ worden sei. Und das ist eben Unfug, weil die nationale Identifikation und Parteilichkeit nichts mit Natur und Gesundheit zu tun hat, und weil die Kunstwerke nicht von „Nationen“ hervorgebracht werden, sondern von den Künstlern. Und die lassen sich dabei von anderen Künstlern inspirieren, und zwar von Künstlern aus aller Herren Länder.
Musik unterteilt sich nicht nach „deutsch“ und „ausländisch“, sondern nach gut und schlecht. Deshalb habe ich auch keine Probleme mit „deutscher Musik“. Gute Musik aus Deutschland ist einfach gute Musik, und wenn sie international verständlich ist, dann ist sie Weltkultur. So wie Kraftwerk. Ich schätze Kraftwerk für ihre Musik, ihre Soundästhetik, ihre genialen Melodien und prägnanten Texte, ihre Eleganz und Emotionalität, für ihre Ideen und ihr Artwork und ihre Originalität – aber mit einer „nationalen Identität“ hat meine Wertschätzung rein gar nichts zu tun. Nationale Kategorien sind sachfremd, wenn es um Kunst geht und nicht um die Politik von Staaten.
(Nebenbei: Kraftwerk zählen zwar international zu den wichtigsten Acts überhaupt, neben Chuck Berry, The Rolling Stones, The Beatles, The Velvet Underground usw., aber Techno haben sie dann doch nicht erfunden. Sie waren einfach eine wichtige Inspiration für Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson und viele andere.)
Some Velvet MorningEs ist doch scheißegal, ob NEU! deutsch sind, aber ich finde es genauso bescheuert generell jegliche deutsche Musik für beknackt zu halten, eben weil sie aus Deutschland kommt.
Freilich, aber das ist ein Pappkamerad. Eine generelle Ablehnung von Musik „weil sie aus Deutschland kommt“ gibt es gar nicht; diese Haltung existiert nur in der Einbildung derjenigen, die ihren Nationalstolz mit kulturellen Leistungen stützen wollen. Das ist ein Hirngespinst von Leuten, die es zu einer Frage ihrer Ehre machen, dass Musik aus Deutschland allgemeine Anerkennung erfährt, und die stinkig werden, wenn nicht alle dabei mitmachen. Das ist der Typus des „stets beleidigten Deutschen“.
Wer nur wenige Platten von hiesigen Künstlern besitzt, hat dafür seine speziellen Gründe. Manche meinen zum Beispiel, dass die deutsche Sprache nicht zu den musikalischen Formen passt, die sie bevorzugen, wie Blues oder Rock ’n‘ Roll; andere können mit den Arten von Musik, die hierzulande in hoher Qualität produziert werden (wie House und Techno), generell nicht viel anfangen und bevorzugen Genres, in denen hiesige Künstler nur blasse Kopien der Originale abliefern; usw. Man braucht diese Ansichten und Abneigungen nicht zu teilen, aber es ist einfach billig, den Leuten ihre Gründe abzusprechen.
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To Hell with Poverty