Re: Shorty Rogers

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CD2 beginnt mit der zweiten und letzten Session von 1951, einer Live-Aufnahme von Howard Rumsey’s Lighthouse All Stars, aufgenommen in dessen Lighthouse Klub in Hermosa Beach am 27. Dezember. Neben Rogers (t) und Rumsey (b) spielen Art Pepper (as), Frank Patchen (p) und Shelly Manne (d).

Das Repertoire ist noch deutlich vom Bop geprägt: „Scrapple from the Apple“, „All the Things You Are“, „Tin Tin Deo“, „Cherokee“ und Tadd Damerons „Robbins Nest“ stehen auf dem Programm. Mit „Jive at Five“ und Goodmans „Lullaby in Rhythm“ spielt aber auch der Swing schon rein, zudem hören wir die Balladen „What’s New“ und „Body and Soul“ sowie ein Original von Rogers zum Auftakt, „Popo“.
Leider ist die Qualität der Aufnahme ziemlich übel, aber Rogers und Shank sind sehr schön zu hören und die Musik ist wohl ein frühes Dokument dessen, was später eben West Coast Jazz heissen würde. Rumseys Klub und seine Lighthouse All Stars wurden zur Institutution, gerade wie Shelly Manne’s Men (und sein Manne-Hole) oder Shorty Rogers Giants. Bei Pepper war der Weg weniger eindeutig, er befand sich im Widerstreit zwischen Form und freier Expression (sein „Art Pepper + 11“ ist wohl die letzte Rückkehr zum Versuch, mit Form, mit richgtigen Arrangements zu arbeiten). Sein Weg führte ihn zu einer viel expressiveren, direkteren und irgendwie wohl freieren Musik und spätestens um 1956 waren die Berührungspunkte mit dem West Coast Jazz mehr oder weniger verschwunden, Pepper nahm mit Red Garland oder Wynton Kelly auf, liess ich von Jimmy Bond und Frank Butler begleiten. Die Musik war dennoch kein Hardbop, aber hatte nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit dem klassischen West Coast Jazz. Mit „Intensity“ (der Albumtitel spricht Bände) hat er den Schlusspunkt gesetzt, bevor seine langen Knast-Jahre begannen (bis 1975, mit kurzen Unterbrüchen 1964 und 1968, beim zweiten spielte er mit Buddy Richs Big Band und war in dessen Big Band, als das Album „Mercy, Mercy“ eingespielt wurde – mit einem grossartigen Pepper-Feature über Billy Strayhorns „Chelsea Bridge“).
1951 ist Peppers Ton aber noch fein, weich, noch nicht so stark konturiert wie später. Er und Rogers ergänzen sich hervorragend. Rogers setzt in „Popo“ ein Glanzlicht, aber sonst sind es eher Peppers Soli, die diese Session so toll machen, wie sie ist. Er ist agil, leicht, stark von Parker geprägt, sein Ton aber sanfter, runder, was ihn jedoch nicht davon abhält, in sein Legato-Spiel typisch rhythmisierte Bebop-Phrasen einzustreuen. Sehr toll ist auch hier wieder Shelly Manne – er spielt druckvoll ist ist enorm präsent, weiss seine Begleitung aber auch genau recht zu dosieren.
Über den Pianisten Frank Patchen weiss ich wenig; er hat mitte der 50er noch auf ein paar weiteren Rumsey-LPs (sie erschienen zumeist bei Contemporary) gespielt, sass anscheinend in der Zeit auch in der Begleitband der Treniers und taucht als Sideman auch bei Maynard Ferguson, Shelly Manne und Jimmy Giuffre auf. Seine Soli hier sind ganz schön, aber eine wirklich eigene Handschrift kann ich ehrlich gesagt nicht erkennen.

Es folgt ein Rogers-Stück, dass Louie Bellson im Rahmen einer Capitol-Session im Februar 1952 mit ein paar Ellingtonians sowie John Graas eingespielt hat (Soli: Wardell Gray, ts; Clark Terry, t; Willie Smith, as; Harry Carney, bari; Bellson, d). Dann hören wir ein weiteres Stück von einer weiteren Rumsey-Session vom Juli 1952, „Swing Shift“ (in der 12″-Ära der Opener von Vol. 3 der Rumsey-Alben von Contemporary). Das Stück swingt wie die Musik Basies, hier ist der West Coast Jazz da, fertig ausgeformt. Kurze, flüssige Soli im Wechsel, schnelles Tempo, das aber mehr swingt als bopt, Patchen zitiert noch rasch „There’s a Small Hotel“, bevor das Riff-Thema – mit ein paar Fills von Manne – zu Ende gebracht wird.
Es folgen zwei Kostproben von Boots Brown & His Blockbusters. Mit diesem Projekt versuchte Rogers sich – mit Hilfe von Milt Bernhart (tb), Bud Shank (as), Jimmy Giuffre (ts), Gerry Mulligan (bari), Marty Paich (p), Jimmy Wyble (g), Howard Rumsey (b) und Roy Harte (d) – am R&B, wie ihn in Los Angeles etwa Big Jay McNeely spielte. Harte trommelt den Shuffle hart, Giuffre röhrt wie ein räudiger Hirsch… das ganze ist – erst recht wenn man um die bleichen Gesichter und die europäischen Wurzeln der Beteiligten weiss – eher Satire als Musik, macht aber irgendwie trotzdem Spass. Es ist aber bestimmt kein grossser Verlust, dass nur zwei Stücke von diesem Projekt zu hören sind.

Das ist die letzte Seltsamkeit oder Sideman-Session dieses Sets, die vier letzten Stücke von CD2 stammen dann von der Giants Session vom 12. Januar 1953, die auf CD3 fortgesetzt wird, und zu der ich später kommen werde.

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