Re: Neil Young – Le Noise

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annamax

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Bei Spiegel-Online gab’s 7 Punkte:

Neil Young – „Le Noise“
(Reprise/Warner, bereits erschienen)

Es stimmt natürlich nicht, dass die merkwürdigsten Alben von Neil Young auch die besten sind. Das würde ja bedeuten, dass zum Beispiel Youngs Umarmung des Achtziger-Jahre-Elektropops auf „Trans“ oder zuletzt die Ode ans Elektromobil („Fork In The Road“) mehr Strahlkraft hätten als „Everybody Knows This Is Nowhere“, „Tonight’s The Night“, oder „Rust Never Sleeps“. Aber zumindest wurde es immer ziemlich interessant, wenn Young mal wieder einen Schritt zur Seite machte, eine komische Idee unbedingt umsetzen wollte – oder einfach nur seinem Bauch oder Herzen gefolgt ist. So ist auch „Le Noise“, Youngs ungefähr 50. Album, kein leicht verdauliches „Harvest Moon“ geworden, sondern ein karges, von tiefer Verzweiflung geprägtes Album, das man fast schon als Antithese zum gesetzt-saturierten Alterswerk bezeichnen könnte. Es gibt nur Neil Young und seine Gitarren zu hören, allerdings geisterhaft verfremdet, geloopt und verzerrt von U2-Produzent Daniel Lanois (man beachte die Hommage im Albumtitel), der etwas ähnliches schon einmal mit Robbie Robertson für dessen Solo-Debüt gemacht hat: Einfach mal den Dämonen freien Lauf lassen. Wo Rick Rubin bis zur Essenz reduziert, fügt Lanois dem vom Ballast befreiten Sound seiner Schützlinge oft etwas Schamanisches hinzu, weshalb sich viele Songs auf „Le Noise“ anhören, als seien sie, womöglich induziert durch alte Inka-Drogen, aus einer fernen Vergangenheit herübergeweht. Und die Vergangenheit ist es, über die Young in seinen acht neuen Stücken meditiert. In der fragilen Ballade „Love And War“ zum Beispiel fragt er sich, warum er nach so vielen Songs über diese Themen noch immer keine Ahnung hat von Liebe und vom Krieg, es ist halt eine „Angry World“, wie ein anderer, zorniger Song heißt. „Hitchhiker“, ein Überbleibsel von Anfang der Neunziger, fasst Youngs verschlungene Drogen-und Desperado-Karriere in bestürzender Offenheit zusammen, um mit der Aussage zu enden: „I’ve tried to leave my past behind, but it’s catching up with me“. Zwei enge Freunde Youngs starben in den vergangenen Monaten, der Filmemacher Larry Johnson und der Steel-Gitarrist Ben Keith. Vielleicht hat dieser Verlust den inzwischen 65-jährigen Young dazu bewogen, die Jahrzehnte zu transzendieren und eine Art düstere Bilanz zu ziehen. Und was bleibt, ist das durch die Ewigkeit wabernde Feeback der Gitarren. Doch es gibt Hoffnung: „Someone’s Gonna Rescue You“ heißt ein Song auf „Le Noise“. Es ist der beste auf diesem merkwürdigen, irgendwie rührenden Album voll unheimlicher Resonanzen. (7) Andreas Borcholte

http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,719962,00.html

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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.