Re: McCoy Tyner – The Real McCoy!

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Expansions *****

Auch in Tyners nächstem Album für Blue Note, im August 1968 aufgenommen, werden Einflüsse aus afrikanischer Musik sofort hörbar. Dabei sind wieder Herbie Lewis und Freddie Waits, dazu stösst Ron Carter, der am Cello schon im ersten Stück „Visions“ ein tolles Solo spielt, sowie die Bläser Woody Shaw (t), Gary Bartz (as,wooden fl) und Wayne Shorter (ts,cl). Shorter bläst suchende, impulsive Soli, mit seinem schmalen, leicht verhangenen und durchdringenden Ton. Bartz und Shaw sind extrovertierter, beide mit einem satten, fetten Ton. Waits arbeitet streckenweise hart an der Grenze zu freien Metren, Lewis erdet die Musik aber stets mit seinem fetten Sound.
Im zweiten Stück, „Song of Happiness“, spielt Carter ein Cello-Ostinato, das sich mit Lewis, Waits und Tyners Piano-Girlanden zu einem Geflecht verdichtet, das eine schwüle Stimmung schafft. Darüber legen die Holzläser (mit Holzflöte und Klarinette) freie, mäandrierende Linien, bevor nach über vier Minuten das Thema präsentiert wird (von Trompete, Alt und Tenor). Nach einem einfach gehaltenen Piano-Solo brilliert erneut Shorter mit einem behutsam konstruierten, nachdenklichen Solo. Das dritte Stück, „Smitty“s Place“ enthält fast Stride-artige kurze Piano-Passagen und besteht neben einem nervösen Thema aus kurzen Phrasen aus einer Reihe von Duetten: Tyner und Shorter solieren gemeinsam, dann Shaw und Bartz, Lewis und Carter, sowie zum Ende Tyner und Waits. Eine tolle Idee! Es folgt „Peresina“, ein nachdenkliches Stück im 3/4 – toll, wie Carter das Thema ausschmückt! Tyner und Shorter steuern beide tolle, lange Soli bei. Zum Abschluss folgt eine Ballade von Tyners Jugendfreund Cal Massey, „I Thought I’d Let You Know“. Tyner und Carter stehen im Mittelpunkt, schon im Thema – ein nachdenklicher und sehr schöner Ausklang eines hervorragenden Albums.

Cosmos / Mosaic Select ***

Wie schon erwähnt, sind diese Alben alle im „Mosaic Select“ von Tyner gesammelt. Dort sind auch die Sessions drin, die auf dem Doppel-Album „Cosmos“ erschienen.
Ein einzelnes Stück, „Planet X“, entstand im November 1968 im Trio mit Lewis/Waits. Sofort wird klar, wie eingespielt dieses Trio mittlerweile ist!
Im April 1969 enstanden die nächsten Aufnahmen, darunter noch ein Stück desselben Trios, „Vibration Blues“. Toll, wie Waits sein Ride fast singen lässt und federleicht die Musik antreibt! Die Strukturen der Musik lösen sich zunehmend auf, Tyner spielt Cluster und Ostinati, Waits lässt zwar stets einen fühlbaren Puls durchlaufen, aber die feste Form verschwindet streckenweise. Die weiteren drei Stücke dieser Session entstanden dann mit Harold Vick am Sopransax, Al Gibbons an diversen Reeds und Flöte, sowie einem Streichquartett. Die Musik hat einen ganz anderen Charakter, das Sopransax von Vick bringt einen neuen Klang, ebenso die Streicher, die nur im Thema zu hören sind, dort aber ein zusätzliches Element der Wärme einbringen. „Cosmos“ ist dann ein schnelles Stück mit einem typischen Tyner-Solo und einem tollen Schlagzeugsolo von Waits. Das letzte Stück der Session, „Shaken, But Not Forsaken“, dauert fast zwölf Minuten und beginnt mit Flöte und Streichern sowie Vicks Sopransax. Endlich ist das thematische Material etwas weniger dürftig. Auch während Tyners Solo bleibt die Begleitung (ohne Streicher) spannend und abwechslungsreich.
Insgesamt keine ausgereifte Musik, mehr ein unfertiges Projekt.

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