Re: Stereolab, ou: The Groop

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friedrich

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@ Moondawn

Deiner Beurteilung von TRANSIENT … stimme ich rundum zu. Den Vergleich mit Sonic Youth hatte ich in meiner Besprechung (von vor einem Jahr!) auch erwähnt. Außerdem auch noch NEU!, The Jesus & Mary Chain, VU, Andy Warhol und Twiggy, denn bei Stereolab gibt es ja immer auch diese Lust am Zitieren und an der stylischen Pose. Sie kreuzen für einen Moment den Weg von Sonic Youth, aber im Unterschied zu diesen sind sie nur vorübergehend in eine Rolle geschlüpft, während Sonic Youth mit ihrer Rolle fest verwachsen sind. Toll geschrieben, Moondawn!

MoondawnHier ist ein Link zum berüchtigten NME Review von „Cobra And Phases“, der im September 1999 für einige Entrüstung sorgte. Ach ja… die Wertung war „Null Von Zehn“: http://www.nme.com/reviews/artistKeyname/1392

Bei meiner Besprechung von COBRA … hatte ich dieses Review auch zitiert. Stereolab Co-Leader Tim Gane war davon „not amused“.

Dem Rezensenten möchte man entgegenhalten, dass er offensichtlich nicht korrekt informiert ist. Wenn er in seinem ebenso weit hergeholten wie drastischen Vergleich festzustellen meint, „… they (Stereolab) are good at what they do. But then so was Hitler“, täuscht er sich gewaltig: Die erste Hälfte der Aussage kann man zwar voll und ganz bestätigen, aber Hitler war im Gegensatz dazu eben nicht gut, mit dem, was er tat. Die moralische Bewertung mal außer Acht gelassen, ist der 2. Weltkrieg aus Sicht des 3. Reiches nur als Reinfall zu bewerten und auch die Judenvernichtung ist Hitler nicht nur unvollständig gelungen, sie hat Europa auch keineswegs von vermeintlichen Schädlingen befreit, sondern einen menschlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Flurschaden hinterlassen, von dem sich Europa nie ganz erholt hat und der den Ruf Deutschlands in der Welt nachhaltig versaute. Und als Brite, der der Rezensent vermutlich ist, sollte man nicht nur wissen, sondern auch froh darüber sein, dass auch Hitlers Vorhaben einer Invasion Großbritanniens, schon im Ansatz scheiterte.
:teufel_2:

Aber das nur am Rande. Ich selbst beurteile COBRA ganz anders.

Aus heutiger Sicht liest sich die Rezension eigenartig. Stereolab scheinen auf COBRA … die Erwartungen des Autors nicht zu erfüllen und dafür verurteilt er sie. Ist ihm alles zu kompliziert, er versteht es nicht und deswegen ist es Mist! Naja, wenn man einen Boxkampf sehen will, sollte man nicht in die Oper gehen und wenn man straighten Rock hören will, sollte man keine Stereolab-Platte auflegen. Das hat fast schon etwas böswilliges, denn man liest die Weigerung heraus, sich überhaupt auf die Musik einzulassen, weil man etwas anderes hören will. Schlechte Voraussetzungen für eine Rezension.

Ich habe weder damals noch heute den NME gelesen, aber weiß doch immerhin soviel, dass er damals so etwas was das britische Leitmedium für Pop war. Damals, d.h. Mitte der 90er, verstand sich der NME aber auch als Plattform des Britpop. Und wer einerseits die kumpeligen Oasis und Blur über den grünen Klee lobt, kann natürlich andererseits auf gar keinen Fall gleichzeitig die sophistcateten Stereolab loben! Ich frage mich, was es für eine Auswirkung auf die Karriere von Stereolab hatte, wenn deren damals aktuelles Album vom führenden britischen Popmagazin derart verrissen wurde. Bestimmt keine gute.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)