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Stereolab sind die Band des Briten Tim Gane und der Französin Laetitia Sadier. TG hatte in den 80ern in der Indie-Band McCarthy gespielt und LS auf einer Tour in Paris kennen gelernt. Die beiden werden nicht nur privat ein Paar und gründen 1990 Stereolab. TG (git + kb) und LS (voc, git + kb) schreiben praktisch alle Songs für Stereolab und sind die beiden einzigen konstanten Mitglieder der Band. Über die Jahre wandern eine Reihe anderer Musiker durch das line up, von denen Andy Ramsay (seit 1992, dr) und Mary Hansen (1992-2002, voc, git + kb) die mit der längsten Dienstzeit sind. Auch ein gewisser Sean O’Hagan arbeitet immer mal wieder mit The Lab zusammen.
TG und LS teilen eine gemeinsame Leidenschaft für verschiedene Subkulturen und Avantgarden des 20. Jahrhunderts und verstehen ihre Musik gerne auch politisch. Das äußert sich nicht nur durch oft explizit politische Texte, sondern auch durch ein lustvolles Zitieren von Namen, Slogans und Grafiken aus verschiedenen Zusammenhängen. Dabei geht es keineswegs trocken und ernst zu. Im Gegenteil: Die Revolution ist bei Stereolab cool und stylish und im besten Falle kann man sogar dazu tanzen. Der Name „Stereolab“ stammt von einem Plattenlabel für Hi Fi-Testplatten
Im Jahr 1992 veröffentlichen sie ihr Debut-Album PENG! (mit einer Zeichnung aus einem Schweizer Underground –Magazin aus den 70ern auf dem Cover) und 1993 die EP SPACE AGE BATCHELOR PAD MUSIC (mit einem von einer Hi Fi-Testplatte geklauten Cover). Ich kenne leider beide nicht. Die Platten erregen zumindest im Underground Aufmerksamkeit und der Major ELEKTRA bietet Stereolab einen Vertrag an. Ebenfalls 1993 erscheint dann ihr erstes Album auf dem neuen Label. TRANSIENT RANDOM-NOISE BURSTS WITH ANNOUNCEMENTS gilt weithin als die definierende Platte für die frühen Stereolab.
Der verschwurbelte Titel ist typisch Stereolab und mit Sicherheit (wieder mal) von einer Testplatte geklaut, das Cover zeigt eine poppig blau-gelb stilisierte Großaufnahme eines Tonabnehmers und unten links steht auf dem angeschnittenen Plattenteller STEREOLAB. Zitate und Referenzen also schon hier. Die Musik auf TRNBWA ist ein Gemisch aus 60s Garagenbeat mit Twang-Gitarre und Vox-Orgel, Franko-Pop, Krautrock-Motorik und monotonen Velvet Underground-Gitarren. Klingt so, als würden NEU! in Andy Warhols Plastic Inevitable Show auftreten, und eine – in diesem Falle – französischsprachige Nico, die Kreide gefressen hat, würde dazu linksradikale politische Statements singen. Sonic Youth und The Jesus and Mary Chain sitzen mit Sonnenbrillen im Publikum. Ebenso Twiggy.
Der absolute Höhepunkt von TRNBWA ist das 18-minütige JENNY ONDIOLINE (benannt nach einem frühen elektrischen Keyboard): Ein monotones SISTER RAY / HALLOGALLO / HEROES-Ungetüm, das mehrfach zusammenbricht um in einer anderen Inkarnation sofort wieder aufzustehen. Je nach Erwartungshaltung und Gemütslage des Hörers berauschend oder nervtötend.
Mit TRNBWA wird ein Teil des Rahmens, in dem sich Stereolab bewegen, abgesteckt. The Groop plündert den Fundus des Pop-Undergrounds der Vergangenheit, wirft alles in einen Topf und zieht eine postmoderne gewendete Mixtur daraus wieder hervor. Man begibt sich in die Rolle der Avantgarde von gestern und spielt die Entwürfe von damals vor dem Hintergrund von heute nochmals durch.
Retro-Futurismus? Oder: Ist die Zukunft auch nicht mehr das, was sie einmal war?
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)