Re: Steve Coleman und M-Base

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redbeansandrice

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ach, da sind schon viele drüber gestolpert, wenn dein erster Post so gewesen wär wie die späteren, hätten wir dich vielleicht auch behutsamer aufgenommen ;-)

Fef

Ja, ich sehe Ornette Colemans Stärke auch in dieser unkonventionellen, irgendwie „freien“, sehr kreativen, in positivem Sinn „naiven“, ursprünglichen Herangehensweise. Sie war wohl erfrischend gegenüber den eher weniger kreativen Konventionen, die aus Parkers Musik als „Bebop“-Stil abgeleitet wurden. Aber bei Parker war das alles komplett frisch. Er war in der Lage, eine wahnsinnig dichte, bis ins kleinste Detail fabelhaft gestaltete Musik hervorzubringen – natürlich mit einer Menge internalisierten Phrasen, die er aber total kreativ einsetzte. Offenbar setzt Steve Coleman da an: Er spricht viel von „Struktur“. Es scheint um ein spontanes Spiel mit äußerst komplexen Strukturen (rhythmisch, harmonisch, melodisch) zu gehen, das aber wirklich im Feeling funktionieren muss. So verstehe ich es. In meinen Augen geht diese Sichtweise in eine andere Richtung als die doch ziemlich von den Ideen des Free-Jazz geprägte Jazz-Auffassung der vorhergehenden Jahrzehnte. Ich sehe darin eine neue Linie, die eigentlich eine alte fortsetzt.

wie gesagt – dass Steve Coleman das so plant, geschenkt; dass er vergleichsweise originell ist – auch geschenkt… die große Frage ist doch, wie weit diese ambitionierten Bemühungen geklappt haben… letzlich ist Improvisieren nun mal nicht vollkommen spontan, zumindest bei fast niemandem, ein Stück „Sprache“ ist immer dabei, da braucht man keine Illusionen zu haben… eigene Sprache ist da… aber wie reich die Sprache ist – da kann man diskutieren

Fef

(Thread-Umbenennung – kein Problem!)
Für mich hat Colemans Musik sehr viel „Bauchelement“ und „cool“ ist so eine Sache: Er ist insofern eher „cool“, als er weniger auf expressive Klangfarben setzt (völlig im Gegensatz zu den Free-Jazzern). Allerdings: Wenn man z.B. das 1. Stück der neuen CD hört, dann kommt da einem schon eine ordentliche Wucht an Sound entgegen. In jungen Jahren wirkte seine Musik gewiss wesentlich cooler. Aber auch damals spielte er durchaus auch mit schneidendem Ton, z.B. im Laufe des folgenden Stückes: http://www.m-base.org/rhythm_people_mp3_files/aint_goin_out.mp3

hier ist jetzt wirklich die Frage wo man den Free Jazz aufhören lässt… in diesem Text von Iyer auf Colemans Homepage zeichnet jener eine Linie Sun Ra, AACM, M-Base, alles drei „Bewegungen“ mit Wurzeln in Chicago; sowohl die AACM als auch Sun Ra wird man wohl mit gutem Recht dem Free Jazz zurchenen können . dann sieht man sehr schnell, dass der nicht bei Ayler und spätem Coltrane stehengeblieben ist, dass sich viele klge Menschen viel Mühe gegeben haben, Strukturen in die Musik einzuarbeiten, Einflüsse aus früheren Zeiten aufzunehmen… grad Sun Ra ist ein Musterbeispiel dafür wie man einen großen Summs an Theorie und Geschichte in seine Musik einarbeitet, ohne dabei besonders kalkulierend zu wirken (bloß ein bißchen bekloppt…); das ist zum Beispiel dem AEC noch überzeugender gelungen als Coleman, find ich – aber letztlich kann man das wohl alles als Versuche lesen ähnliches zu tun…

hast du dich mal mit Phil Cohran beschäftigt? ehemaliger Trompeter von Sun Ra, der in den 60er Jahren in Chicago blieb, um seine eigene Version einer ganz ähnlichen Vision umzusetzen, unter anderem mit stärkeren Soul und Funkeinflüssen, expliziterer sozial-politischer Komponente… war auch ein Mitgründer der AACM; seine Alben von damals (kürzlich auf CD erschienen, zB) sind zumindest als Puzzleteile interessant und weil der Ansatz auf dem Papier mit Colemans durchaus Parallelen hat… musikalisch vielleicht weniger ambitioniert, aber sehr schön anzuhören… (sample)

Ich sehe den schwierigen Punkt darin, dass Coleman zunächst einmal ganz stark auf der rhythmischen Ebene innovativ war, und für die Rhythmik haben wir wenig Background….

schönes Argument!

dieses Video mit Wilson fand ich übrigens auch ziemlich überzeugend… lohnt das Doug Hammond Album?

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