Re: Agnetha Fältskog

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Light of LoveEs folgt ein Streifzug durch Agnethas Alben-Discographie.

Ich wollte das eigentlich viel früher abschließen und hätte es auch bereits vor einem Jahr tun können, habe aber lange gezögert, weil mir das, was ich zu den 80er-Alben zu sagen hatte, zu belanglos und den Alben nicht gerecht werdend erschien. Beim Frühwerk habe ich derlei Bedenken aufgrund des bestehenden Mitteilungsdrangs ignoriert; dass dieser bei den späteren Platten nachlassen würde, hätte ich bei der Ankündigung des „Streifzugs“ bedenken sollen. Wie auch immer, hier jetzt der zweite Teil.

Wrap Your Arms Around Me (1983)

Während der ABBA-Jahre nach 1975 kamen Agnethas Solo-Aktivitäten weitgehend zum Erliegen und lebten erst in der Spätphase wieder etwas auf: 1979 erschien als Aufhänger für einen Best-Of-Sampler die (tolle) Single „När du tar mig i din famn“ und erzielte in Schweden einigen Erfolg. Auf ABBA-Konzerten hat Agnetha das Lied „I’m Still Alive“ am Klavier vorgetragen, allerdings existiert hiervon keine vernünftige Aufnahme. Eine schwedischsprachige Version wurde 1981 von der Sängerin Kicki Moberg aufgenommen und als B-Seite der Single „Men natten är vår“ veröffentlicht, einem erfolglosen Beitrag für den schwedischen ESC-Vorentscheid. (Ich zähle diese Lieder auf, weil Agnetha die Musik hierzu selbst geschrieben hat, und – falls ich das noch nicht erwähnt habe – die Tatsache, dass Agnetha viele ihrer Songs selbst geschrieben hat, viel zum Zauber früherer Jahre beigetragen hat. Später fiel ihr nach eigener Aussage das Songwriting zunehmend schwer). Außerdem erwähnenswert: Die in Schweden sehr, international ein bisschen erfolgreiche Single „Never Again“ mit Tomas Ledin, eine Hauptrolle im Film „Raskenstam“ und natürlich das Weihnachtsalbum.

Mit „Wrap Your Arms Around Me“ wollte Agnetha sich nun, nach dem de facto Ende von ABBA, international als Solo-Künstlerin etablieren. Als Produzent wurde Mike Chapman verpflichtet, der sich als eine Hälfte des „Chinnichap“-Duos als Songwriter und Produzent für Interpreten wie Sweet, Mud, Suzie Quatro, Smokie und Blondie einen Namen gemacht hat und für etliche Hits verantwortlich war. Die rein englischsprachige Songauswahl enthält neben bis dahin noch unbekannten Beiträgen unterschiedlicher Songwriter eine Cover-Version („The Heat Is On“ – Noosha Fox) und eine Eigenkomposition von Agnetha. Das Album wurde in den Polar-Studios in Stockholm aufgenommen und neben einigen Musikern, die bereits von früheren Agnetha- und ABBA-Alben bekannt sind, wirkten Smokie als Backgroundsänger mit…

Für mich ist „Wrap Your Arms Around Me“ eine zwiespältige Angelegenheit. Im Vergleich zum Frühwerk erscheint es als unpersönliches Album, was ich auf den Umstand zurückführe, dass Agnetha hier anscheinend fast nur als Interpretin in Erscheinung tritt und die Kontrolle über das Projekt in den Händen eines „externen“ Produzenten lag. Anstelle einer individuellen Persönlichkeit mit einer künstlerischen Intention tritt hier an der Oberfläche ein glattpoliertes, perfektes, auf den kommerziellen Erfolg zielendes Produkt. Ein Verriss lässt sich daraus aber nicht basteln, zumal das Album auch seine guten Seiten hat: Eine gelungene, abwechslungsreiche Songauswahl mit einigen relativen Highlights, die das Album zusammen mit dem Agnetha-Faktor auch auf längere Sicht (hier: ~2 Jahre) hörenswert machen. Als meine Favoriten haben sich „Once Burned Twice Shy“ (rockige Power-Ballade mit Windmaschinen-Assoziation) und die melodisch unwiderstehliche Oliver-Onions-Komposition „I Stand Alone“ herauskristallisiert. Auch der Titeltrack, „I Wish Tonight Could Last Forever“, Agnethas Song „Man“ und sogar „Take Good Care Of Your Children“ gefallen mir. Schwach bzw. auf die Nerven gehend finde ich lediglich die drei Tracks, mit denen das Album anfängt: das wohlbekannte „The Heat is On“, „Can’t Shake Loose“ und „Shame“. Eine Gesamtwertung für das Album würde ich bei guten ***1/2 ansiedeln, eigentlich gingen auch ****, aber dann käme es zu einer paradoxen Situation innerhalb meiner Agnetha-Bewertungen.

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Eyes Of A Woman (1985)

Auch dies ist das Ergebnis einer Kollaboration mit einem renommierten Produzenten, diesesmal Eric Stewart (10cc), und es ist ist leider eine ganze Ecke schlechter als Vorgänger. Hinzu kommt noch eine aufdringliche, bemüht zeitgemäß wirkende Produktion – kein KO-Kriterium, aber es macht die Sache nicht einfacher. Während „Wrap“ aufgrund seiner Qualitäten und meinetwegen auch seines kommerziellen Erfolges noch getrost als Meilenstein angesehen werden kann, ist „Eyes“ ein größtenteils überflüssiges Album, mit dem zumindest ich nichts anfangen kann. Der beste, nein, der einzige gute Track ist das von Agnetha geschriebene „I Won’t Let You Go“, welches auch als Single ausgekoppelt wurde und zumindest in Schweden und einigen anderen europäischen Ländern ein mittlerer Chart-Erfolg wurde. Die B-Seite dieser Single ist „You’re There“, welches ebenfalls aus Agnethas Feder stammt, aber leider nicht auf dem Album enthalten ist. Renommierte Songwriter wie Jeff Lynne oder Justin Hayward reißen ansonsten überhaupt nichts raus und über allem liegt eine Aura der Mittelmäßigkeit und Routiniertheit (vielleicht abgesehen von „Click Track“, ich mag den Song zwar nicht, aber aufgrund seiner Machart ragt er irgendwie heraus).
(**1/2-***)

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Kom följ med i vår karusell (1987)

Kinderlieder mit Sohn Christian.

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I Stand Alone (1987)

Auch dies ist das Ergebnis einer Kollaboration mit einem renommierten Produzenten, diesesmal Peter Cetera (Chicago), und… nun ja. Untypischwerweise, und trotz Agnethas bekannter Zurückhaltung, was (Flug-)Reisen angeht, wurde das Album während eines fünfwöchigen Aufenthalts in Los Angeles aufgenommen. Das Ergebnis ist uingeachtet eines Gesangsbeitrags von Peter Cetera insgesamt etwas erträglicher als „Eyes Of A Woman“, weckt aber ebenfalls kaum Interesse oder gar Begeisterung. Der beste Track ist die Ballade „Maybe It Was Magic“, dann folgt das Bucks Fizz Cover „Love in a World Gone Mad“ und der Rest stört nicht weiter. Wodurch er natürlich unter Umständen doch wieder stört. (**1/2-***)

Im Rahmen der spärlichen Promotion für dieses Album absolvierte Agnetha ein Interview im britischen TV und gab dabei ein paar Zeilen des Volkslieds „Vem kan segla förutan vind?“ zum Besten (klick, ab 2:50), in denen mehr Musik steckt als im ganzen „Eyes Of A Woman“. Dies dürfte vorläufig einer ihrer letzten öffentlichen Auftritte gewesen sein, und über die Zeit, die kommen sollte, sagte sie später (wohl auf schwedisch, aber ich habe nur eine englischsprachige Quelle): „There was a time when the music went silent. Both within me and around me. During a ten-year-period I neither played, sang nor listened to music. I didn’t even bother to get a decent stereo system. I was tired of composing and tired of singing. I didn’t feel that there were any challenges in music for me.“

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