Re: Die etwas anderen "must haves"…

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gypsy-tail-wind
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Chris Connor – At the Village Gate (FM/Roulette/Capitol, 1963)

eine unglaublich emotionale, mitreissende Live-Aufnahme, auf der Connor schon nicht mehr der sorgenfreie Songbird (Come Back to Sorrento) ist, tiefer, irgendwie kaputter klingt, ihre Stimme Dimensionen erreicht, die Grösse und Tiefe haben.

Und die Nennung von Zoller oben bringt mich auf den nächsten unbekannten Klassiker:

Oscar Pettiford – Vienna Blues (Black Lion, 1959)

Eine Quartett-Aufnahme mit Zoller, Pettiford, Hans Koller und Jimmy Pratt. Auf den beiden Cello-Stücken spielt da übrigens Zoller Bass! Ein sehr schönes Album, das irgendwie nirgends reinpasst – es ist cool, es ist bluesig, es hat Drive… wie manche Savoy oder Bethlehem Alben der späten 50er scheint es sich nicht um die Stil-Schubladen zu kümmern. Und es ist toll!

und dann würd ich noch eins reinwerfen, das ev. auch manchen Listen auftaucht, das aber dennoch bemerkenswert ist:

Lucky Thompson – Lord, Lord, Am I Ever Gonna Know (Candid, 1961)

Ein hervorragendes Quartett aus Thompson, Martial Solal, Peter Trunk und Daniel Humair. Drei der allerbesten europäischen Jazzer jener Zeit treffen auf einen der ganz grossen Meister. Gerade Trunk ist eine Freude, zu hören…

Joachim Ernst Berendt:

Ich erinnere mich an ein SWF-Konzert mit Lucky Thompson, dem grossen amerikanischen Tenorsaxophonisten, das wir in Konstanz veranstalteten. Wie immer in solchen Fällen fragte ich Lucky, mit welchen Musikern er zusammenspielen wollte. Lucky darauf, wie aus der Pistole geschossen: Am wichtigsten sei ihm Peter Trunk, der sei der beste Bassist, den er in Europa kenne. Damals entstanden eine Reihe wunderbarer Duos mit Lucky Thompson auf dem Tenor- bzw. Sopransaxophon und Peter Trunk am Bass – Duos, die man um so höher einschätzen wird, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Luckys ursprünglicher, amerikanischer Duio-Partner in den fünfziger Jahren eben Oscar Pettiford gewesen ist!

J.E. Berendt: „In Memoriam Peter Trunk“, aus: Ders.: Ein Fenster aus Jazz. Essays – Portraits – Reflexionen, Überarbeitete Ausgabe, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag, 159-162, Zitat S. 159f.

Die Expressivität, die Berendt in seinem Aufsatz mehrmals betont ist in der Tat nicht zu leugnen!

Und wenn wir grad beim europäischen Jazz um 1960 sind…

Joki Freund – Yogi Jazz (L+R, 1963)

Diese wunderbare Scheibe wurde kürzlich auf CD wiederaufgelegt. Freund und Emil Mangelsdorff spiele Saxophone, Wolfgang Dauner Piano, Peter Baumeister ist am Schlagzeug, und Eberhard Weber sowie Karl-Theodor Geier spielen Bässe (beide zugleich). Ein Album, das einen wunderbaren, offenen Groove schafft, irgendwo auf halber Strecke zwischen Hardbop und einer Art lyrischen Free Jazz, wie sie ein klein wenig später die Spezialität des Hauses Blue Note werden sollte.
Wenn Ihr die mal bei Zweitausendeins sichtet, greift zu!

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