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ReinoDu hältst also die Rolle von George Martin oder SWA, Berry Gordy Jr. und Jack White für nahezu identisch?
Was mir erstmal wichtig ist, dass man die Musikwelt nicht in gut und schlecht unterteilen kann, indem man fragt, ob eine Musik mit kommerziellen Absichten produziert und veröffentlicht wird oder nicht. Seit den späten 60ern wurde ja der Mythos gepflegt, im Rock ginge es allein um die hehre Kunst und das „Lebensgefühl einer Generation“ und Pop sei kommerzieller Dreck. Nun war der kommerzielle Erfolg von, sagen wir mal, Jimi Hendrix, The Doors, Led Zeppelin, Deep Purple, Genesis, Pink Floyd usw. usw. aber sicher kein Zufall. Rock war eben auch ein business. Dass Bands und (Indie-)Labels für kleine Fangemeinden produzieren und sich nicht an die Charts und die Majors „verkaufen“ wollen, dieser Gedanke wurde ja erst in der Punk- und Post Punk-Ära populär. Der strengen „Indie“-Ideologie folgten aber längst nicht alle, Bands wie The Clash und The Jam waren bei Majors und hatten Hits in Serie (zumindest im UK) und auch manche Bands auf Indie-Labels wurden zu Hitlieferanten (Madness, The Specials, The Cure, Depeche Mode, The Human League, The Smiths usw. usw.) Über die künstlerische Integrität sagt die kommerzielle Ausrichtung oder Nicht-Ausrichtung erstmal nichts aus.
Was Deine aufgezählten Beispiele jetzt sagen wollen, weiß ich nicht. Phil Spector und Berry Gordy wollten Hits, Hits, Hits. Es ist doch bekannt, wie verzweifelt Spector war, als „River Deep, Mountain High“ in den USA floppte (obwohl es im UK eine #1 war). Danach hat er nur noch gelegentlich produziert. Auch George Martin sollte nicht Kunst produzieren, sondern Hits. Jack White – ich nehme mal an, Du meinst nicht den deutschen Produzenten – ist der einzige in der Reihe, der einem „Indie“-Ideal anhängt, wobei er doch offensichtlich auch jemand ist, der durchaus den Erfolg will.
Und ihr könnt ja gerne SAW verachten, wie ihr wollt, aber für mich standen die in der Tradition von Spector und Gordy. Mal abgesehen davon, dass die ja als durchaus kredible Dancefloor-Produzenten begonnen haben, haben die auch in ihrer Hochphase genau das gemacht, was sie wollten: Teen-Pop für die Achtziger, so wie Chinn & Chapman den Teen-Pop der 70er definiert hatten. Das war musikalisch flacher, als das, was Spector und Gordy produzierten, aber auch die wollten in erster Linie Stars und Hits für die jugendlichen Fans kreieren.
Das heißt, es gibt genuin keinen deutschsprachigen Pop?
Es gibt deutschen bzw. deutschsprachigen Pop, klar, aber der ist ohne den angloamerikanischen Pop nicht vorstellbar. Ob die Beat-Bands der 60er, die Bands der neuen deutschen Welle der späten 70er/frühen 80er oder die Bands der Bad Salzufler/Hamburger Schule ab den späten 80ern – die stehen in angloamerikanischen Traditionen. Schlager ist dagegen ein Eigengewächs, dass immer wieder internationale und zeitgeistige Einflüsse aufgenommen hat.
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