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Die Schwierigkeit, Schlager zu definieren, rührt schlicht auch daher, daß zu verschiedenen Zeiten unterschiedliches darunter verstanden wurde.
Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren es einfach die erfolgreichsten Lieder aus den Operetten der Zeit (die Verbreitung erfolgte vor der Erfindung von Schallplatte und Radio nur mündlich und über Notenausdrucke). Der erste große Multiplikator war dann der Tonfilm (z.B. „Der Kongreß tanzt“ und „Die drei von der Tankstelle“).
Was wir heute für Schlager der 20er Jahre halten, sind überwiegend Songs und Couplets aus dem Kabarett. Und die haben sich aus völlig anderen Gründen bis heute gehalten als etwa „Ganz in weiß“. Ich bezweifle auch, daß sie wirklich so erfolgreich und verbreitet waren, daß sie den Begriff „Schlager“ (abgeleitet vom Erfolg der musikalischen Darbietung) verdienen.
Aber auch damals wurden erfolgreiche internationale Lieder eingedeutscht, z.B. „Yes, wie have no bananas“, „Happy days are here again“ oder „Yes Sir, thats my baby“ als „Ausgerechnet Bananen“, „Wochenend und Sonnenschein“ und „Küß mich, Schnuckiputzi“.
Ich vermute den Beginn eines die folgenden Jahrzehnte bestimmenden Schlagerbegriffs in den 50er Jahren. Und auch da fällt es uns aus heutiger Sicht schwer, zu bestimmen, warum „Memories Are Made of This“ eine große Pop-Ballade und „Heimweh“ der Inbegriff deutschen Schlagers ist (was wohl unstrittig sein dürfte). Andererseits wurden die Erfolgslieder von Peter Kraus kaum als Schlager wahrgenommen (auch wenn der Begriff damals wohl nicht so scharf umrissen war)
Die Schlager der 70er Jahre haben vielfach eine Besonderheit, die sie (neben den meist strunzdummen Texten) für viele besonders unerträglich machen: deutschen Bigbandsound! Niemals wurden Elemente des Jazz je so grauenvoll mißbraucht worden wie zu dieser Zeit.
coleporterEin Auftritt beim Grand Prix meines Erachtens aber auch. (Ohne smiley…)
„Im Wartesaal zum großen Glück“ ein Schlager? Niemals!
GefährlicheBohnenExtrabereits „Hurra die Schule brennt“ wäre für mich ein Schlager, weil das früher alle kannten und laut mitgesungen haben, wenn das lief. Kraftwerks „Transeuropa Express“ hingegen nicht.
GefährlicheBohnenFür mich ist „Die perfekte Welle“ auf jeden Fall ein Schlager – wegen der Breitenwirkung.
Ich behaupte, der Begriff „Schlager“ hat sich im Laufe der 60er Jahre deutlich vom Attribut „erfolgreich“ entfernt. Keiner würde heute zweifeln, daß es erfolglose Schlager gibt, da er damit eine bestimmte Musikrichtung (wenn vielleicht auch jeder eine etwas andere) beschreibt.
coleporterIch glaube, dass das gerade bei Hasslehoff durchaus zutrifft, weil der in Deutschland deutlich erfolgreicher war als in Amerika, wenn ich nicht irre, und daher sein späterer Output stark auf den deutschen Markt zugeschnitten war.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang ein Blick auf das Werk von Roger Whittacker zu werfen. Ich habe den Eindruck, daß sein deutschsprachiges Schaffen wesentlich schlagerhafter ist, als sein englisches (ähnliches war sicher auch bei Adamo festzustellen, da aber hauptsächlich wegen der Texte).
coleporterWieso? Gerade Leuten wie Cole Porter würde ich durchaus auch eine gewisse Schlagerhaftigkeit zusprechen – was wieder ein Beleg dafür wäre, dass das nicht per se ein negatives Etikett ist…
Sind Porters Texte nicht zu intelligent und handwerklich makellos (was bei Schlagern ja ein No-go ist. Die müssen anscheinend schlecht gereimt sein)?
KnuffelchenDas ist mir jetzt nicht so im Ohr.
coleporterEs ist eine deutsche Version von „Paranoid“ von Black Sabbath.
Sollte sich keiner entgehen lassen.
coleporterUnd wenn man sich mal Schlager aus der Zeit des Nationalsozialismus anhört, da gab es neben den Propaganda-Durchhalte-Schlagern auch viel Kritisches – natürlich immer vorsichtig und mit dem von dir richtig beschriebenen Lächeln im Gesicht, damit man nicht gleich ins KZ kam…
Oder sie entstanden, weil einer AUS dem KZ kam, wie z.B. „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn“. Ich würde allerdings erfolgreiche Lieder aus Filmen ungern in die gleiche Tonne treten wie den Schlager. Sie gehorchen dramaturgisch und auch markttechnisch völlig anderen Gesetzen.
GefährlicheBohnenManchmal spielen ernste Themen aber schon eine Rolle: zum Beispiel Drogentod wie inAm Tag als Conny Kramer starb. Das sind wohl auch eher Ausnahmen.
Ein politischer Schlager wäre für mich Bruttosozialprodukt von Geier Sturzflug.
Stammt aus der Liedermacherecke („Spiel nicht mit den Schmuddekindern“ würde ja auch keiner als Schlager bezeichnen. Strittig wird das eher bei den Bots).
otis.
Ich kann mich gut erinnern, als Heinos erste Singles mit Volksliedern als Schlagern auf den Markt kamen (lange vor den linken Liedermachern).
Das war 1965. Wieso soll das lange vor den linken Liedermachern gewesen sein? Dieter Süverkrüp hat im selben Jahr seine erste LP veröffentlicht (um mal einen zu nennen, der unstrittig links ist).
gollumFrüher mehr als heute sprach man oft – und zwar nicht gerade bei den Schlagerfans – vom „Deutschen Schlager“, was den deutschsprachigen meinte und weder als Pleonasmus noch als Hinweis auf das Produktsland benutzt wurde. Demnach muss/te es ja wohl auch Schlager in anderen Sprachen geben.
Die hatten wahrscheinlich auch keine präzise Definition des Schlagerbegriffs. Nur mal so eine Vermutung ….
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