Re: Villagers

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themagneticfield

Registriert seit: 25.04.2003

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SokratesAus dem Musikalischen Tagebuch:

Mir komplett nicht nachvollziehbar, da fehlt nichts. Angenehm ist es dennoch, aber im rein positiven nicht im „stört nicht“-Sinne.

Im „Neue Alben“-Thread hätte dad Ganze allerdings vielleicht mehr Sinn gemacht…(vielleicht kann ja jemand ab meinem ersten Beitrag verschieben?)

Und gleich mal eine Einzelbesternung:

I saw the dead ***1/2
Becoming a jackal *****
Ship of promises ****1/2
The meaning of the ritual ****1/2
Home *****
That day ****1/2
The pact (I’ll be your fever) *****
Set the tigers free ****1/2
Twenty-seven strangers ****1/2
Pieces ****
To be counted among men ***1/2-****

Interessant, dass er uns, wie auch Bright Eyes in seinen Zeiten bis zu „Cassadaga“, den Einstieg mit dem „schwächsten“ Stück nicht einfach macht und auch die Verabschiedung im Gegensatz zu Rest leicht abfällt. Das das Album dennoch ständig auf meinem Plattenteller landet, zeigt nur wie stark die Stücke dazwischen sind.

Und vielleicht mal eine Rezension von plattentest.de hinterher

Der Schakal ist ein Aasfresser. Er vergeht sich am Vergehenden und Vergangenen – ganz wie die elf Stücke auf dem ihm huldigenden Villagers-Debüt „Becoming a jackal“, einem Meisterwerk morbider Romantik. Conor O’Brien, ein jungenhaft schmalschultriger Typ, den man nicht auf Ende Zwanzig schätzen würde, erschafft eine außergewöhnliche Collage aus schwerer Melancholie, leichter Nostalgie, poetischen Realitätsprotokollen und schonungslosen Traumtranskripten. Und der erste Song, eingeleitet von einer aus der Ferne herbeiwehenden Orgel, heißt auch noch „I saw the dead“. Es besteht kein Zweifel: O’Brien meint es tierisch ernst. Das weiß man spätestens, wenn er die Streicher zum Schweigen in eine Ecke schickt, die Klavierläufe stoppt und zu kraftvoll polternden Drums „You take the torso / And I’ll take the head“ singt. Herz ist Rumpf.

Dabei ist Teilen nichts, woran O’Brien besonders großes Interesse hätte. Nachdem sich seine Band The Immediate nach ihrem erfolgreichen Erstlingswerk 2006 kurzentschlossen auflöste, hegt und pflegt der junge Mann aus Dublin seine Solokarriere komplett alleine. Die Songs? Hat er alle selbst geschrieben. Die Instrumente? Hat er alle selbst eingespielt, bis auf Streicher und Bläser. Das Album? Hat er im Alleingang produziert. Nur mit dem Aufnehmen hat ihm ein Freund geholfen. Überraschend ist es bei diesen Vorzeichen wahrlich nicht, dass „Becoming a jackal“ etwas sehr Intimes, Einsiedlerisches hat. Der Sound ist mitunter zauberhaft filigran, aber auch sympathisch grobkörnig. Man hört die Tesafilmstreifen, Reißzwecken und Büroklammern, die O’Briens Kompositionen zusammenhalten.

Seine Stimme klingt hingegen, als würde sie lieber auf Abstand gehen oder zumindest ihre ausgeprägte Introvertiertheit unterstreichen wollen. Ein zaghaftes Zaudern liegt in ihr, aber auch gewaltige Emotionalität kurz vor der heimlichen Eskalation – ähnlich wie bei Namensvetter Conor Oberst. Nur mit der Bonus-Begabung zu unverhoffter gelegentlicher Lieblichkeit. Dass „Becoming a jackal“ direkt auf Platz Eins der irischen Albumcharts eingestiegen ist, dürfte unter anderem ein Verdienst der großartigen gleichnamigen Singleauskopplung sein – eine Folkrock-Komposition mit auffällig präsentem Bass, geradezu hypnotisierender Melodie und überaus hübschem Harmoniegesang im Refrain: „I was a dreamer / Stearing out windows / Out onto the main street / ‚Cos that’s where the dream goes.“

„Ship of promises“ segelt auf beinahe filmisch-idyllischer Hymnik, bevor ein pulsierender Skiffle-Beat entschlossen den Motor anlässt und kühn das Steuer übernimmt. Wieder im Hafen angekommen, wartet bereits ein Empfangskomitee aus Waldhörnern im Weihnachts-Modus – eine andächtige Atmosphäre. Akustikgitarre und Streicher gesellen sich hinzu, und O’Brien singt ein ergreifendes Liebeslied, halb zynisch, halb weise: „My love is selfish / And I bet yours is, too“, lautet seine nüchterne Erkenntnis, die ihre etwas positiver gestimmte Fortsetzung in „Set the tigers free“ findet – „True love feeds on absences / Like pleasure feeds on pain.“ Schmerz ist Trumpf.

Und O’Brien leidet sehr gerne: Die Zeile „For a long, long time / I’ve been in pieces“ eröffnet ein Soul-Melodrama, in dessen Finale er sich endlich in einen Schakal verwandelt. Oder zumindest durch täuschend echt klingendes Wildhundegeheul erstklassige Fremdsprachenkenntnisse beweist. Aber der Ire kann noch mehr: „That day“ hat wunderbar süßlich-sehnsüchtigen 60s-Pop zu bieten und das spartanisch instrumentierte „Twenty-seven strangers“ eine rührende, zur Akustikgitarre erzählte Alltagsepisode, natürlich mit metaphorischem Mehrwert. Die Songstrukturen sind nie so vertrackt, dass man nicht mitkommt, aber auch nie so simpel, dass man schon vorher weiß, wo es hingeht. Und vor allem ist da diese ganz besondere Grundstimmung, die man vielleicht sogar als sakral bezeichnen könnte. Mit anderen Worten: Das Villagers-Debüt lässt die Kirche im Dorf. Na, Gott sei Dank.

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"Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!