Re: Die Trompete im Jazz

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katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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Angeregt von der kurzen Diskussion im Thread über Moodsville will ich gerne ein bißchen was zu Terry schreiben, dem „Duke with a difference“. Ich stolpere immer wieder mal über den netten Satz, welcher die Biographie bei allmusic eröffnet: „Possessor of the happiest sound in jazz“.
Das alleine war Grund für mich, Terry lange auszusparen – und ganz ehrlich, man vermisst ihn nicht unbedingt. Auf jeden Fall nicht so, wie wenn man Kenny Dorham oder selbst jemanden wie Nat Adderley vermissen würde. Trotzdem tue ich Terry damit Unrecht. Mittlerweile kenne ich eine handvoll Sessions mit Clark Terry und (fast) keine davon würde es in eine Favoriten-Liste schaffen.
Von der Tradition scheint er dem Swing näher zu stehen, als dem Bop und so hört man auch den klaren, freundlichen und sehr melodischen Ton seiner Heimat St. Louis. Damit dürfte er auch ein kleines bißchen Miles Davis infiziert haben. Auf der einen Seite ist dieser Ton ein klarer Vorteil, da er ein bißchen Terry’s persönlicher Ton ist, auf der anderen Seite limitiert er ihn doch auf eine bestimmte Rolle, die er Anfangs vermieden, später aber fast Markenzeichen-ähnlich ausgebaut hat – das fröhliche und positive in seiner Musik ist allgegenwärtig und nicht nur deswegen muss ich immer ein bißchen an Louis Armstrong denken.

Terry hat seit den 50er Jahren eine Unmenge an Leader-Sessions eingespielt und war entsprechend häufig als Sideman beteiligt. Um mir ein bißchen die Musik von Terry zu erarbeiten, habe ich mich hauptsächlich nach seinen Begleitern umgesehen und bin dann doch auf ein paar schöne Alben gestoßen.


1957 ist auf Riverside eine spannende Session, seine erste als Leader, erschienen, die Terry mit Wynton Kelly, Philly Joe Jones und Paul Chambers zusammenbringt. Außerdem spielt der mächtige Johnny Griffin in der Frontline. Einige Stücke von „Serenade to a bus seat“ sind auf einer Jazzland-LP („Cruisin‘ the Rhythm Section“) erneut veröffentlicht worden.
Die Musik selbst ist – wie soll es anders sein – feinster Hard Bop, allerdings sehr enthusiastisch gespielt und man kann den Spaß spüen, den die Band hatte. Terry beweist, dass er flüssig spielen kann, sehr melodisch im Ton und durchaus auch etwas „unsauber“. Trotzdem strotzt sein Spiel nur so vor Fröhlichkeit, was man erst recht in einer Ballade wie „Stardust“ merkt. Und ich bin mir immer noch nicht im Klaren, ob ich das jetzt mag oder nicht! :roll: Bis auf eben „Stardust“ und „That old black magic“ besteht die LP aus Eigenkompositionen von Terry, die allesamt gelungen sind. Das größte Problem für Terry, aber auch der Gewinn für den Hörer ist Griffin, der Terry fast mühelos an die Wand spielt.


1958 ist Terry dann auf „In Orbit“ zu hören, bei der er sich die „Führung“ mit Thelonious Monk teilt (Erschienen bei Riverside, später auch wieder bei Jazzland). Auf den ersten Blick vielleicht eine seltsame Kombination, die dann aber doch passt, da ich in Monk immer ein verspieltes Kind höre, welches Spaß am Entdecken von Tönen hat. Mit an Bord sind Sam Jones und Philly Joe. Die Platte ist mein kleines Highlight, da Monk es schafft, dass Terry etwas schroffer als sonst klingt, was vor allem an der sparsamen Begleitung Monks liegt. Wäre das Klavier süffiger und voller, wäre Terry wiederum auf sicherem Boden. Irgendwie scheinen sich beide aneinander anzugleichen und sich letztlich in der Mitte zu treffen. Jones & Jones halten sich weitgehend im Hintergrund, strukturieren die Musik aber stark und füllen den Raum, so dass Monk und Terry sich ausbreiten können. Wie gesagt, der klare Gewinn ist, dass Monk Terry wenig Boden gibt, sich darauf melodisch aufzufächern. Dadurch hält sich der „happy sound“ auch im Hintergrund. Auch in der Monk-Diskographie ein kleines Juwel.


1960 erschien dann „Color Changes“ auf Candid, welches in vielerlei Hinsicht vielleicht das beste von den Dreien ist, ohne dass Terry dort im Vordergrund steht. Das Line up ist beeindruckend. Mit Yusef Lateef (!), Seldon Powell, Julius Watkins und Jimmy Knepper ist die Frontline stark besetzt und Tommy Flanagan führt die Rhthymusgruppe mit Joe Benjamin (b) und Ed Shaughnessy an. Die Musik besteht aus fünf Eigenkompositionen, einem Standard, „No Problem“ von Duke Jordan und dem hinterlistigen „Brother Terry“ von Lateef.
Die Musik ist diesmal komplexer und geschickt arrangiert (u.a. Al Cohn) um allen beteiligten ausreichend Raum zum solieren zu geben. Letztlich fällt Terry dadurch wenig auf, da er sich entsprechend einreiht. Toll ist auf jeden Fall „Flutin‘ and Fluglin'“, bei dem Terry die Trompete mit dem Flügelhorn abwechselt. Die Musik ist komplex, macht Spaß und weist endlich mal unterschiedliche Stimmungen und Nuancierungen auf.

Auf den wenigen Sideman-Alben die ich mit Terry kenne (bspw. Sam Jones, Yusef Lateef, Stan Getz, Freddie Hubbard, Stanley Turrentine usw.) präsentiert Terry sich ebenso unaufdringlich, was meist aber einfach an den Big Bang-Kontexten liegt, die ihm wenig Raum lassen. Trotzdem erkennt man ihn relativ schnell an seinem klaren, flüssigen und positiven Ton, der ab und an wunderbar zu hören ist, auf Dauer aber doch etwas eintönig wirkt.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III