Re: Groundhogs over Germany 04/2010

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dennis-blandford
Jaggerized

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Immer eine schwierige Sache einstige Helden, die dazu noch nicht mal wirklich groß im Rampenlicht standen, heute mit Ende Sechzig in winzigen Provinzclubs zu sehen. Das Rex, ein ehemaliges Kino im südhessischen Lorsch, hat es sich zur Mission gemacht einstige Größen aus dem Bereich Blues/Rock in das kleine liebevoll umgestaltete Kino zu holen, in das schätzungsweise 400 Leute reinpassen. Roger Chapman u. seine shortlist haben dort schon das Haus gefüllt u. auch zum toben gebracht.
Ich war noch nie dort gewesen, da ich der Meinung bin, dass ein act, der in den späten Sechzigern oder in denn Siebzigern vielleicht aufregend war, heute bestenfalls nur noch eine Illusion verkaufen kann, überlege ich mir sehr gut wen ich mir aus dieser Riege noch anschauen möchte.
Im Falle der Groundhogs u. Tony McPhee habe ich meine Prinzipien außen vorgelassen u. ein paar Kumpels überredet derben englischen Bluesrock vom einstigen John Lee Hooker sidekick mit mir zu goutieren. Beide kannten die Hogs überhaupt nicht, schätzen aber den liebevollen Einsatz der Veranstalterin in die Stadt mit Weltkulturerbe (Kloster) Lorsch so etwas wie Clubatmosphäre zu bringen.
Es waren gestern Abend vielleicht 100 Pursiten im Rex-Club die Tony sehen wollten. Den Bass bedient immerhin Amon Düül II Legende Dave Anderson, wir erschraken jedoch als eine Sängerin (Joanna Deacon) die Bühne betrat u. gleich zu Beginn verkündete, dass nur sie heute Abend singen werde. Es war zwar angekündigt, dass eine Frau ihn auf der Bühne unterstützen sollte aber von der Übernahme der lead vocals hatte ich nicht gelesen. Tony habe 2009 gesundheitliche Probleme gehabt u. könne nicht mehr singen. In der Tat richtete die Legende während des gigs kein einziges Mal den Blick zum Publikum u. sprach auch keine Ansage. Er sang dann doch einen song (Still a fool) u. es wurde schmerzlich klar, dass er keine Stimme mehr hat. Wer die Groundhogs etwas kennt, weiß, dass Tony kein begnadeter Sänger war. Seine kauzige Intonierung passte aber zu den noch kauzigeren Blues/Folk/Rock Gebräu u. hatte einen eigenen Charme. In den besten Momenten erinnerten die Hogs an Rory Gallagher, die Stones buchten sie für die Europa Tournee 1971 u. Mc Phee wurde in den späten Sechzigern die Ehre zu Teil mit Jimmy Hendrix verglichen zu werden.
So viel zu den Meriten.
Musikalisch gab es auch gestern Abend nichts auszusetzen, der Mann spielte furios wie damals, alles auf den Punkt, stets von rollenden Schlagzeugbreaks u. pumpenden Bassläufen getrieben. Was aber Joanna Deacon bot, lies das ganze dann leider als Persiflage wirken. Die Frau tut mir leid, da sie scheinbar ein Riesenfan von Tony ist u. versuchte den eigentlich unimitierbaren Gesang des alten Kautz nachzuahmen. Dazu tanzte sie wie eine Elfe, obwohl sie bei Leibe keine ist. Ein Stück wie „An eccentric man“, das wie gemacht ist für den alten Hog kann einfach nicht von einer Frau intoniert werden, genauso wenig wie der Gassenhauer „Cherry Red“. Selbst das göttliche „Strange Town“ wirkte fad u. hatte nicht die Brillianz der Platte.
Während des Konzerts hatten einige den Eindruck, dass sie keine richtige Sängerin ist, zumindest klang einiges ziemlich schief. Das Publikum konnte null animiert werden u. hier u. da gab es Entschuldigungen, die eigentlich auch keiner hören wollte. Joanna war nach dem Konzert auch für den Verkauf des Merchandising zuständig. Von Mc Phee u. Anderson war nichts zu sehen.
Mir ist nicht klar ob Tony überhaupt nicht mehr singen kann oder dies nur eine Übergangslösung ist. Als Powertrio würden die Groundhogs heute noch ein ordentliches Konzert abgeben u. das wollte die gealterte Anhängerschaft eigentlich auch sehen. Die 24 € an der Abendkasse waren dann auch etwas happig, genau wie die Spielzeit der Gruppe von 1 Stunde u. 20 Minuten.
Eigentlich hätte man auch nicht mehr hören wollen, wäre nicht bei der Zugabe, einem Uptempoboogie, erstmalig so etwas wie Stimmung aufgekommen. Danach war aber Schluss u. meine Kumpels diktierten mir was ich als review schreiben solle. Leider hatten sie Recht u. ich pers. glaube nicht, dass Tony sich mit der engagierten Sängerinn einen Gefallen tut. Wenn nur noch 100 Leute kommen u. die noch für das Geld gelinde gesagt „verarscht“ werden ist dies ziemlich traurig.
Am 20. April spielen dann Nazareth dort u. ich wette die Uriah Heep-Nazareth Fraktion wird danach seelig sein.

So hatte ich mir die band vorgestellt:
http://www.youtube.com/watch?v=yzu8Zjv1rPc&NR=1

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"And everything I know is what I need to know and everything I do's been done before."