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skraggy

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Mass Effect

Erschienen Ende 2007, mauserte sich „Mass Effect“ bereits während des ersten Durchgangs zu meinem absoluten Lieblingsspiel. Das SciFi-Setting selbst sowie dessen extrem detailverliebte Umsetzung hinterließen bei mir einen bleibenden Eindruck wie kein Spiel zuvor.
In groben Zügen dreht sich die Handlung des Spiels um Commander Shepard – dessen Charakter je nach Vorliebe des Spielers sowohl weiblich als auch männlich gestaltet werden kann – und dessen Feldzug gegen die Rasse der Reaper, die in einem seit Ewigkeiten währenden Zyklus das in unserer Galaxie bestehende Leben abernten. Diese Gefahr gilt es den regierenden Instanzen zu vermitteln und gleichzeitig aufzuhalten. Dies ist nur der grobe Plot, der im Laufe des Spiels um unzählige Unter- und Nebenhandlungen sowie ein extrem komplexes Universum ergänzt wird, sodass sich dem Spieler ein Epos offenbart, wie es für ein Videospiel extrem selten ist. Dabei widmet sich „Mass Effect“ ausführlich und in originelle Handlungen bzw. Szenarien verpackt Themen wie Rassismus, Genozid, Verrat und Politik.
Mit „Mass Effect“ hat Entwickler Bioware ein gewagtes Experiment auf die Beine gestellt. Eigentlich für klassiche westliche Rollenspiele bekannt, versucht sich das Studio hier an einer Kreuzung aus Third-Person-Shooter und Rollenspiel. Das eigentliche Spiel funktioniert wie ein klassicher Shooter, doch hängt beispielsweise die Trefferquote des Spielers nicht ausschließlich von dessen Fähigkeiten ein Pad richtig zu bedienen ab sondern auch von den Skills des von ihm in gewohnter Rollenspiel-Manier ausgestalteten Charakters. Die Symbiose aus Shooter und RPG gelingt Bioware erstaunlich gut, wobei fairerweise zugestanden werden muss, dass an einingen Stellen ersichtlich wird, dass den Entwicklern zu diesem Zeitpunkt das wirklich umfassende Know How für Shooter fehlt. Insgesamt betrachtet funktioniert die Spielmechanik trotzdem erstaunlich gut, sodass sich in letzter Konsequenz ein homogenes Gesamtbild ergibt.
Selbst wenn die Shooter-Einlagen weniger überzeugen würden, es wäre zu verschmerzen, denn das eigentliche Highlight von „Mass Effect“ ist das ausgeklügelte Dialogsystem. Erstmals gibt Bioware dem Spieler nicht mehr die ihm zur Verfügung stehenden Antwortmöglichkeiten vollständig vor. Stattdessen erhält er lediglich Stichpunkte, die grob die inhaltliche Richtung der Antwort verraten. Dadurch, dass der Spieler nun nicht mehr ellenlange Antworten lesen muss bevor er sie verwendet, ergeben sich erstaunlich flüssige Dialoge. Zudem führt diese Informationsverknappung dazu, dass nicht immer ersichtlich ist, wie die gewählte Antwort tatsächlich ausfällt und damit den Gesprächsverlauf beeinflusst. Zusätzliche Facetten ergeben sich aus der Möglichkeit, mindestens drei Varianten von Antworten zu geben: eine vorbildliche, eine neutrale oder eine abtrünnige. Weiter kann der Spieler im zunehmendem Spielverlauf durch die Steigerung entsprechender Charakterwerte für Gespräche auf noch mehr Anwortmöglichkeiten zugreifen. Es lohnt sich also durchaus, Schlüsseldialoge mehrmals zu führen. Passend dazu verfügen die Charaktere des Spiels über eine ausgeklügelte Mimik, sodass dem Spieler während den Dialogen durchaus unterhaltsames für die Augen geboten wird.
Überhaupt „für die Augen“: Mass Effect bietet in den Hauptmissionen eine absolut filmtaugliche Inszenierung. Was hier an Tempo, Action, Schitt etc. geboten wird, ist oberste Liga. Zumal alle Zwischensequenzen in Spielegrafik gehalten sind. Was Bioware hier auffährt ist extrem beeindruckend.
Klar, bei all der Großartigkeit, die „Mass Effect“ bietet, gibt es auch Kritikpunktezu vermerken. Während das Hauptspiel straff inszeniert ist, hapert es doch am Design der Nebenmissionen. Hier fährt man stundenlang mit einem an einer äußerst fragwürdigen Steuerung und Fahrphysik leidenden Mondpanzer über extrem karge Plantenoberflächen und ballert sich durch immergleiche Räumlichkeiten. Spannung sieht definitv anders aus. Da diese Nebenmissionen jedoch für den eigentlichen Spielverlauf vollkommen irrelevant sind, fallen sie vergleichsweise wenig ins Gewicht. Zumal trotz aller Ödnis der Forscherdrang obsiegt und man mit der Zeit eine durchaus bessheuerte Freude am Erkunden der Planeten findet. Ich zumindest habe sie ausnahmslos alle abgegrast.
Man sieht also, ich kann dem Spiel nicht wirklich böse sein. Zu sehr spricht mich das Setting an und nimmt mich die Handlung gefangen. Zu sehr wachsen einem die Charaktere mit ihren Hintergrundgeschichten und Macken ans Herz. Und zu sehr hat das Spiel durch die Entscheidungen, zu denen es mich im Spielverlauf gezwungen hat, Eindruck bei mir hinterlassen.

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