Re: Berlinale 2010

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declan-macmanus

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Eine Mutter hat ihren Job als Architektin verloren. Sie streift durch Berlin auf der Suche nach Baustellen und Arbeit, findet und verliert einen Job in einem Callcenter, bekommt auch von ihren ehemaligen Studienkollegen keineArbeit, trinkt immer mehr, wird ihrem Sohn zunehmend peinlich und sieht am Ende einer ungewissen, aber nicht gerade hoffnungsvoll stimmenden Zukunft entgegen. Zwischendurch kommentiert ein Fremdenführer immer wieder die Lage des Feminismus und seiner Vereinbarkeit mit dem Arbeitsleben.

Dieser Film ist eine Qual. Er versucht, eine Folge von überdrehten und größtenteils unendlich blöden Szenen irgendwie zu einem Kommentar zur Lage der Frau und Mutter in der modernen Arbeitswelt aufzublasen und scheitert dabei so grandios, dass Lage, Frau, Mutter und Arbeitswelt mein volles Mitleid verdienen.

Dass die Hauptdarstellerin in den meisten Szenen furchtbar hölzern agiert, ist allerdings nicht allein ihre Schuld, sondern zu einem großen Teil die der Drehbuchautorin Turanskyj, die ihre Figuren immer wieder in einer himmelschreiend schlechten Sprache aufgeblasenen Quark reden lässt.

Wenn zum Beispiel die Sprache der Geschäftswelt im Allgemeinen und (schlimmer noch) der Callcenter im Besonderen verwendet werden soll, geht das gründlich in die Hose: Sie ist zu überzogen, um als Abbild durchgehen zu können, und nicht überzogen genug, um als Karrikatur gelten zu können. Mal davon abgesehen: Mit stolzgeschwellter Brust die böse glatte Sprache von Callcenter-Mitarbeitern und Personal Coaches entlarven zu wollen, ist in etwa so originell und neu wie ein schlecht erzählter Ostfriesenwitz.

Die Regisseurin wollte Berlin fernab der „verbrauchten“ Szenerien zeigen. Zur Sicherheit, auf dass man aber trotzdem verstehen möge, dass man sich in Berlin befindet, stellt sie dann aber doch wahlweise Funk- oder Fernsehturm gut sichtbar zentral in den Hintergrund.

Die arme Hauptfigur wird natürlich durch ihre mehr oder minder erfolgreichen Yuppie- und Künstlerfreunde kontrastiert. Die wohnen in schicken Häusern, reden herablassend und tanzen pathetisch auf dem Teufelsberg herum. Die Hauptfigur trinkt sich derweil um den Verstand und verspielt damit auch bei ihrem Sohn noch ihr letztes bisschen Respekt. Das ist weder schön anzusehen noch gut gemacht, sondern einfach nur entsetzlich peinlich.

In einer Szene fragt sie den Sohn, ob er sie mit nach Oberhausen zu einem Vorstellungsgespräch begleiten wolle. Er lehnt ab. „Ich will nicht nach Oberhausen“, ruft er empört. Wenn das eine Anspielung auf das Oberhausener Manifest von 1962 sein soll, das den Grundstein für den so genannten „Jungen deutschen Film“ legte, dann kann ich Frau Turanskyj beruhigen: Nein, Sie müssen nicht nach Oberhausen – dort werden Sie nicht gebraucht. Anderswo übrigens auch nicht.

*1/2

(Zur Irritation meiner Sitznachbarn habe ich während des Films mehrfach laut „Oh Gott“ gestöhnt, nach dem Film bei den haarsträubenden Kommentaren der Regisseurin hysterisch gelacht. Ich fühlte mich mit meiner starken Ablehnung diese furchtbaren Films sehr allein.)

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Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]