Re: Aus Dogears Singles Kiste

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dogear

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Bevor Terry Melcher als Produzent von Paul Revere and the Raiders und der Byrds bekannt wurde, war er seit 1962 als Hausproduzent bei Columbia für die „jungen Leute“ zuständig (Emil O’Connor, Eddie Hodges) produzierte aber auch zusammen mit Arrangeur Jack Nitzsche alte Haudegen wie Frankie Laine oder seine berühmte Mutter, Doris Day.
Als die Surf Welle über die Plattenindustrie rollte, wurde er Columbias Surf und Hot Rod Mann und veröffentlichte unter Pseudonym Singles und Alben dieses Genres (als The Rip Chords, Bruce and Terry, The Rogues, The Hotrodders). Auch andere Acts, die man kaum mit einer solchen Musik in Verbindung bringt, verpasste er diesen Sound.

The Osmond Brothers: My Mom/Mr. Sandman (US, 1964) MGM K 13281 (gelbes Promo label, PS, Insert)
arranged and produced by Terry Melcher

Die Osmond Brothers, noch ohne Marie, waren vier singende Mormonen-Buben, regelmäßige Gäste in US Musicshows, dem PS nach zu urteilen im Alter von 6 bis 14.
My Mom, ein getragener Tearjerker aus Melchers Feder, beschreibt rührselig den Trennungsschmerz, wenn die Jungs ohne Mama auf Tournee sind – hart an der Erträglichkeitsgrenze.
Die B-Seite allerdings hat es in sich. Der Pat Ballards Klassiker (Hitversion: The Chordettes 1954) wird hier erbarmungslos ins Surf Idiom gepowert: als Blaupause muss das gerade populäre „I Get Around“ der Beach Boys herhalten. Aus
„Round, round, get around, I get around, yeah, I get around, round, round I get around“
wird hier
„Sandman, sandman bring me a dream, prettiest girl I’ve ever seen“.
Vor einer beinharten Rhythmusgruppe unter der Leitung von Schlagzeug Legende Hal Blaine aus Spectors Wrecking Crew folgt der Song haargenau Brian Wilsons Vorlage bis hin zum Gitarrensolo – was werden sich da die bisher auf Schnulzen abonnierten Osmonds wohl gedacht haben?
Überraschung am Rande: meine Singlehülle enthielt einen Competition Flyer: „Win an all expense paid trip to Hollywood. Meet the Osmond Brothers as they tape their segment of the Andy Williams Show“ – man musste nur einen simplen Lückentext ausfüllen und schon….

Pat Boone: Little Honda/Beach Girl (US, 1964) Dot 16658
arranged and produced by Terry Melcher

Im selben Monat aufgenommen wird hier der Traum aller Schwiegermütter einer ähnlichen Behandlung unterzogen; diesmal gibt’s gleich einen Originalsong von den Beach Boys, der in den USA damals nicht als Single erschien. Zwar nicht ganz so knackig präsentiert, aber für Pat Boones Verhältnisse doch ziemlich rockig.
Bei der balladesken B-Seite, ganz in der Machart des BB Songs „Don’t Worry Baby“, ist Boone schon eher in seinem Element; vom späteren Beach Boy Bruce Johnston und Melcher selbst geschrieben, steuern die beiden auch die Backing Vocals samt Falsett bei. Alles in allem ist diese Version wesentlich besser gelungen als ihre eigene einen Monat vorher aufgenommen Fassung (auf der LP The Rip Chords: Three Window Coupe).

Jimmy Boyd: That’s What I’ll Give To You/My Hometown (US, 1965) VJ 686
arranged and produced by Terry Melcher

Wie man an der A-Seite hört, war mittlerweile die Beat Welle über Amerika geschwappt. Nach verzerrtem Gitarrenintro bricht sich die British Invasion a la Honeycombs Bahn – interessanterweise eine Barry Gibb Komposition aus der Zeit als sie noch in Australien waren, von den Bee Gees selbst nie aufgenommen.
Die B-Seite, eine Melcher Komposition, fällt eher wieder zurück in den Teen Sound der End-Fünfziger/Anfang Sechziger (Anka, Sedaka), sogar mit etwas Country Einschlag, ist aber ganz gefällig anzuhören.

(weitere Terry Melcher Produktionen folgen demnächst)

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Der Rock ist ein Gebrauchswert (Karl Marx)