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Anonym
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„Bereits als Jugendlicher hatte Boyd dem vergessenen Bluessänger Lonnie Johnson zu einem Comeback verholfen,“ schreiben die Damen und Herren vom „Kunstmann“-Verlag marktschreierisch im Waschzettel zu Joe Boyds Autobiographie „White Bicycles. Musik in den 60er Jahren“ – und die Medien plärren den haltlosen Unsinn gleich nach.
Auch Wikipedia verbreitet den Schmarren gleich ungeprüft weiter: „Als Student in Harvard organisierte er [Boyd] Auftritte von Blueslegenden wie Lonnie Johnson und Sleepy John Estes.“ – Auftritte, erweckt einen völlig falschen Eindruck: Johnson tritt in einem privaten Wohnzimmer („a neighbour’s large living room“), Sleepy John Estes in so etwas wie einer Mensa („dining room at Harvard’s Eliot House“) auf.
Boyd selbst schreibt (nur), dass er und seine Spezis durch Chris Albertsons Radiosendung erfahren haben, dass Lonnie Johnson noch lebt und zwar (als Hausmeister/Laufbursche – Boyd schreibt „Koch“, andere Fahrstuhlführer) in Philadelphia. Boyd sucht Johnsons Nummer im Telefonbuch, ruft ihn an und fragt, ob Johnson für $50 in einem Wohnzimmer auftreten will. Johnson sagt zu, wird von Boyd im Auto abgeholt und gibt ein, zwei Wochen nachdem ihn Chris Albertson in die öffentliche Erinnerung zurückgerufen hat, in einem großen Wohnzimmer, das einem von Boyds Nachbarn gehört, ein bewegendes Konzert.
Boyd beschreibt, wie sie den stark ergrauten Johnson in Philadelphia vereinbarungsgemäß mit dem Auto abgeholt haben. Zurückgeführt haben Sie den über 60-Jährigen Johnson, der mit Gitarre und Verstärker bepackt war, aber nicht mehr. Er erhielt zwar für seinen von Boyd als großartig beschriebenen Auftritt $100, musste aber mit der Eisenbahn heimfahren und Gitarre und Verstärker via Öffis nach Hause schleppen.
Um so unmöglicher finde ich es, dass die Pressestelle des „Kunstmann“-Verlages den undankbaren Boyd und seine Spezis als Johnsons Wiederentdecker abfeiert, ein Verdienst, das nicht ihnen, sondern allein Chris Albertson zusteht.
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