Re: Peter Gabriel

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annamax

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Die bei Konzertreviews nicht immer ganz treffsichere Südwestpresse fand’s auch gut:

Der Meister packt den Hammer aus

Stuttgart In Stuttgart spielten Peter Gabriel und seine Band in Original-Besetzung die Songs des Erfolgsalbums „So“ und ausgewählte Stücke aus 30 Jahren.

19.42 Uhr: Peter Gabriel kündigt sein Konzert wie ein leckeres Menü an. Natürlich auf Deutsch. „Wenn ihr alles überstanden habt, servieren wir euch das komplette ,So-Album“, sagt er und stimmt den Abend am Flügel mit dem noch unfertigen Song „Oh But“ an. Aber was heißt schon unfertig. Gabriel berührt unterstützt von Tony Levin am Bass mit Songwriter-Melancholie. Dann kommt mit „Come Talk to Me“ Druck in die Unplugged-Kiste. Der Star strahlt und dominiert: Mit seinem Organ, das klingt, als seien die Stimmbänder mit feinem Schleifpapier angeraut und dann gefühlvoll durch einen Kompressor gedrückt worden.

20.03 Uhr: Die Hallenlichter gehen während „Family Snapshot“ aus, das wie eine Zeitreise zurück an den Broadway klingt. Ein fließender Übergang in eine Song-Folge, in der die Zeitlosigkeit etlicher Gabriel-Stücke deutlich wird. Er eröffnet den Zuhörern eine „Secret World“, verheddert sich in „No Self Control“ im surrealen Gespinst sich bewegender Lichtkräne und sucht den Weg aus dem Fischernetz. Sinnbilder, Tiefgang, Poesie – all das in Rock- und Pop-Form gebracht. Allein „Solsbury Hill“ klingt nach Oldie, ist aber immer noch für ein Tänzchen gut.

20.44 Uhr: In „Red Rain“ zeigt Drummer Manu Katché, dass er zu den Besten seines Fachs gehört. Rasanter Jazzrock-Drive macht aus Schnürlregen hier einen reißenden roten Fluss. Etliche „So“-Songs klingen cleaner, nicht mehr ganz so kantig. Das gilt nicht für Gabriels Megahit „Sledgehammer“, der als sattes Pfund aus den Boxen gehämmert wird – in HiFi-Qualität. In „Dont Give Up“ übernimmt Jennie Abrahamson den weiblichen Gesangspart und dies mit leichter Country-Färbung, während Gabriel wie ein Soul-Mann mit der Kopfstimme spielt. Er kanns. Noch immer.

21.10 Uhr: Die traumhafte und theatralisch inszenierte Ballade „Mercy Street“ setzt sich gegen das Feuerwerk des Wasens durch. Es ist „Big Time“ angesagt und zwar funky. Nicht nur hier nimmt Gabriel das Tour-Motto „Back to the Front“ ernst. Der 63-Jährige in der Pop-Priesterkutte ist beweglicher Vorturner, Einpeitscher, Armschwenker, und er hat sichtbar Lust. Besonders wenn aus Pop Musikkunst wird. Im reduzierten und immer noch topaktuell klingenden „We Do What Were Told“ oder dem einst von Laurie Anderson geprägten „This Is the Picture“ ist das so.

Im Finale geht es mit „In Your Eyes“ dagegen fast schon ausgelassen zu. So oder so ist das Leben – auch im Albumformat.

21.44 Uhr: Aus dem donnernden Zugaben-Applaus der 12 000 baut sich „The Tower That Ate the People“ in einer nervös-fiebrigen Version auf, aus Peter Gabriel scheint eine hallenhohe Skulptur zu wachsen. Ein optischer Wow-Effekt, dann noch „Biko“, Gabriels klassischer Protestsong für die erhobene Faust.

21.58 Uhr: In der Schleyerhalle singen die Fans „Biko“, draußen steigt Peter Gabriel in eine Limousine, gelöst und lächelnd.

http://www.swp.de/importe/swp/swp-beta-import/hall_sh/sonderbeilagen/art1188253,2253253

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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.