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SantanderIch glaube, ich kenne die meisten Singles von ihr, halte aber nicht allzu viel davon; freiwillig jedenfalls würde ich mir nichts davon anhören wollen, kaufen erst recht nichts. Hatte mich in diesem Thread auch nur zu Wort gemeldet, um meiner abermaligen Enttäuschung Ausdruck zu verleihen: Ich dachte mir, klick doch mal den Link an, vielleicht ist es diesmal ja was Besseres – war es aber leider nicht.
Weil ja in diesem Thread immer wieder von Madonna die Rede ist: Diesen Kick, den ich damals bekam, als ich Madonna zum ersten Mal hörte, konnte mir die Lady bisher nicht vermitteln. Madonna war damals gerade mit „Holiday“ auf Platz 38 in die American Top 40 eingestiegen. Ich wurde sehr hellhörig, als ich das auf AFN hörte, zückte sofort meinen Füllfederhalter und malte in großen Lettern in eins meiner Schulhefte: „Holiday – Madonna!“ Ich weiß noch bis heute, dass es Platz 38 war, weil ich die Positionen mitnotiert und diesen Platz auf der Liste knallrot umrandet hatte. Kurze Zeit später war Madonna in den Top 10 und eine grandiose Karriere begann.
Ein pflegeleichter Madonna-Fan war ich jedoch zu keinem Zeitpunkt, schon damals nicht. Zum Beispiel mochte ich „Like A Virgin“ nie (!), „Material Girl“ oder „Express Yourself“ hasste ich (!) geradezu – was vielleicht interessant ist mit Blick auf unsere Lady hier. Dagegen liebte ich Tracks wie „Into The Groove“, „Angel“, „Dress You Up“, „Physical Attraction“ oder auch „Lucky Star“- ich mag sie heute immer noch, weil in ihnen jene geheimnisvolle magische Seelensubstanz steckt, die mir bei Lady Gaga eben fehlt.
Von den Gaga-Singles, die ich kenne, scheint mir „Love Game“ noch am besten zu sein, „Alejandro“ und „Paparazzi“ (heißen die so?) sind etwas melodischer gehalten, aber durchzogen von billig und fade klingenden Harmonien (wie im Grunde in allen Gaga-Stücken, die ich kenne). Bei voller Volumen-Dröhnung können „Just Dance“ und „Telephone“ auf dem Dancefloor sehr effektvoll sein – Gruppenhypnose der rücksichtslosen Art. Ramona Drews gibt auf Mallorca ihr Debüt mit dem zwanzigsten Aufguss irgendeines Madonna-Songs; sie stampft mit den Füßen auf, dass die Wände wackeln, im Saal grölen Ballermann-Kerle. In diese Reihe gehört auch „Poker Face“ – finde ich recht stumpf.
Nicht zuletzt durch Dauerberieselung bei meiner Friseuse kenne ich „Bad Romance“, ein Track, gegen den ich eine ähnliche Abneigung hege wie seinerzeit gegen „Like A Virgin“, wobei ich Letzteres aber besser finde; „Bad Romance“ enthält Melodieläufe, die mich regelrecht abstoßen. Außerdem hat das Ding noch was ziemlich Infantiles, wie überhaupt viele Gaga-Tracks irgendwie auch was von Kindergeburtstag mit Luftballons, Sahnetorte, Stofftieren und vielen bunten Smarties haben. Vieles scheint mir wirklich nicht mehr zu sein als Kinderkram, Rossi – und möglicherweise ist das sogar beabsichtigt, was aber nicht etwa heißt, dass es dadurch aufgewertet wird: Es gibt hier offensichtlich keinen doppelten Boden, keine tiefere Ebene, kaum Hintersinniges – es ist alles flach. Mag sein, dass viele eine dadurch begünstigte Infantilisierung der Popmusik begrüßen, ich kann damit aber nicht viel anfangen und höre es mir, wie gesagt, nicht freiwillig an. Es gibt tonnenweise aktuelle Musik, die zumindest für mich lohnender ist als das, was ich da bei ihr höre.
Ich beziehe mich hier übrigens ausschließlich auf die Musik, soweit ich sie kenne, nicht auf Lady Gaga als popkulturelles Phänomen – davon weiß ich nichts. Sollte sie jedenfalls irgendwann mal eine Single veröffentlichen, die das Niveau etwa von „Get Together“ der späten Madonna hat (mit Spannungsbögen und so) – würde mich das sofort versöhnlicher stimmen und sie hätte womöglich einen Fan mehr. Ich wünsche ihr, dass da noch mehr Substanz kommt, denn sonst wird m.E. nur wenig von ihr bleiben.
Durch die Videos wird die Musik ein wenig aufgewertet – sie macht halt eine gute Show. Die Lady selber, Stefani Joanne Angelina Germanotta, wer immer das auch sein mag – ihre Ausstrahlung, ihre Aura sozusagen, auch ihre unleugbare erotische Ausstrahlung in einigen Videos, fand ich bemerkenswert und dachte: Sie müsste doch eigentlich mal was Besseres machen als dieses ewige Bum-Bum-Bum-Bum! Auch ich habe läuten hören, dass sie über künstlerische Qualitäten verfügen soll, manchmal hört man es auch heraus. Sogar zu einem Cappuccino einladen würde ich sie und ihr so einiges verklickern. Dazu würde ich ihr einen schönen antiquarischen Rilke-Band mitbringen, sie zeigt mir ihr Tattoo, ich lese ihr Gedichte vor und wir diskutieren darüber – wollen mal sehen, wie sich das dann im nächsten Album niederschlagen wird (ich bleibe zuversichtlich)!
Eigentlich hasse ich das Zitieren ellenlanger Posts, aber wenn sich schon mal jemand die Mühe macht sein „Nichtmögen“ über den üblichen Stumpfsinn hinaus, detailreich und großteils auch nachvollziebar zu umschreiben, dann bedarf das, wenn schon keiner Zustimmung meinerseits, dann doch einer gewissen positiven Erwähnung.
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"Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!