Re: Walter Kempowski

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gruenschnabel

Registriert seit: 19.01.2013

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FriedrichFür das Lob meiner „trefflichsten“ Anmerkung bedanke ich mich herzlich. Ich bin ja alles andere als ein Literat, weil sehr lesefaul und auch leicht von einem Buch gelangweilt. Nicht aber von Im Block. Dort fällt mir auch besonders Kempowkis Technik der leidenschaftslos wirkenden Collage von scheinbaren Trivialitäten auf, die vieles dem Leser selbst überlässt. Ist das eigentlich damals, bei der Erstveröffentlichung des Buches, so erkannt worden? Man könnte das ja auch leicht als tatsächliche Trivialität oder sogar als schriftstellerisches Unvermögen missverstehen.

Wo hat Kempowski diese Technik her? Das wirkt zunächst sehr eigenartig und irritierend. Vielleicht auch modern? Aber sowas erfindet man ja nicht einfach mal so. Ein bisschen was konnte ich googlen und weiß immerhin, das Kempowski zunächst versucht hat, seine Geschichte in einem ganz anderen Stil zu erzählen, dies jedoch verworfen und schlussendlich zur Collage gefunden hat. Auf mich wirkt es fast so, als hätte er seine bruchstückhafte Erinnerungen der 8 Jahre in Bautzen in Form von rückblickend gemachten Notizen einfach aneinandergereiht. So einfach ist es aber sicher nicht, denn der Text sieht sicher nicht zufällig so aus wie er aussieht. Und er würde dann auch nicht so gut funktionieren.

Das K-Wort braucht man nicht zu bemühen, denn dass Kempowski mit Im Block etwas geschrieben hat, das etwas ganz anderes ist als eine bloße Dokumentation, ist für mich offensichtlich. In der Tat sehr bemerkenswert.

Ich muss passen. Ich kenne den Roman nicht und habe auch dessen Aufnahme von Lesern und Kritikern nicht verfolgt. (War auch etwas vor „meiner Zeit“.) Ich empfinde es beim „Tadellöser & Wolf“ allerdings auch so, dass es für eine derartige Darstellungsweise ein hohes Maß an dichterischer Qualität braucht. Das gilt zum einen sicherlich für sprachlich-stilistische Dinge: Dass die Montage äußerst lakonischer Erzählerberichte dazu führt, dass man die Verdorbenheit von Zeit und Menschen quasi mit Händen greifen kann, ist gerade auch vor dem Hintergrund der engagierten Nachkriegsliteratur ein neuer Glücksfall gewesen. Du guckst ja bei Kempowski wirklich selbst den Leuten durchs Fenster zu – und da liegt alles offen, da benötigt man ja gar keinen auktorialen Fingerzeig.
Und das ist für mich der zweite Punkt. Ich verstehe Dichter als unglaublich versierte Beobachter, die ihre Beobachtungen dann so scharfkantig montieren und vermitteln, dass man glaubt, durch ein Brennglas zu schauen. Darin liegt m.E. auch bei Kempowski der Clou.
Es würde mir schwer fallen, eine Kritik an ihm zu akzeptieren, die ihm vorwirft, Zusammenhänge zu verharmlosen, zu wenig Stellung zu beziehen.

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