Re: Walter Kempowski

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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linn“Im Block“ war auch bei mir eine späte WK Lektüre, und es hat mir ebenfalls den Stecker gezogen. Mit seiner Deutschen Chronik hab ich nie so recht was anfangen können, aber was dieser unscheinbare Besessene ansonsten archiviert, komponiert und veröffentlicht hat, ist atemberaubend. Und der Block nimmt das tatsächlich schon voraus.

Die Bücher der Deutschen Chronik habe ich – glaube ich – auch fast alle gelesen. Ich fand die auch sehr gut, wenn auch vielleicht nicht alle gleichermaßen. Aber da ist meine Erinnerung jetzt auch nicht mehr die beste.

Tadellöser & Wolf: Gibt es da nicht die kleine Szene, in der WKs Großvater nach einem Bombenangriff in Hamburg in der Zeitung liest, dass in einem Ort namens Auschwitz, bei Kattowitz, ein eifersüchtiger Ehemann seine Frau erstach? Das wahrscheinlich einzige mal, dass Auschwitz bei dem Chronisten Kempowski erwähnt wird. Dafür ist er schwer kritisiert worden. Diese Zeitungsmeldung hat es aber tatsächlich gegeben und wahrscheinlich hat Kempowskis Großvater auch nie was anderes von Auschwitz gelesen. Der Leser hingegen hat eine ganz andere Kenntnis von Auschwitz, und WK weiß das, und der Leser wiederum weiß auch, dass WK das weiß. Erst dadurch bekommt diese lakonische Erwähnung von Auschwitz beim Lesen eine ganz andere Dimension – ohne das WK dies explizit aussprechen muss.

Das war so ein Gedanke, der mir damals beim Lesen tagelang durch den Kopf ging. Vieles wird bei WK gar nicht explizit ausgesprochen. Es spielt sich zwischen den scheinbar trivialen Anekdoten ab oder sogar zwischen dem Text und dem Leser.

Nur ein Gedanke …

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)