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Der zentrale Begriff in Gernhardts Kunst ist ja „Fallhöhe“, und wie unterschiedlich man dieses Absägen von Erwartungshaltungen interpretieren kann, zeigt ja allein schon die Tatsache, dass Gernhardt mehr und mehr auch vom Kulturbetrieb als einer der Ihren gehätschelt wurde. Die traditionellen Kunstformen sind ja bei ihm eben nicht nur in Frage gestellt, sondern, ah, Frankfurter, auch aufgehoben und bewahrt. Da findet dann jeder das Seine. Was dem überaus eitlen Gernhardt nur recht sein konnte.
Er war der letzte Prominente, bei dessen Tod ich ernsthaft verschnupft war, auch, wenn ich finde, dass einiges von der Art Humor, die er mitersonnen hat, heute durch jahrzehntelange Überstrapazierung nicht mehr allzu komisch ist (das Ottoeske, der Wortwitz). Dafür kann er natürlich nichts. Mich hat er, ob ich will oder nicht, tief geprägt, und ich kann heute noch zig seiner Gedichte auswendig, u.a. das:
Deutung eines allegorischen Gemäldes
Fünf Männer seh ich
inhaltsschwer –
wer sind die fünf?
Wofür steht wer?
Des ersten Wams strahlt
blutigrot –
das ist der Tod
das ist der Tod
Der zweite hält die
Geißel fest –
das ist die Pest
das ist die Pest
Der dritte sitzt in
grauem Kleid –
das ist das Leid
das ist das Leid
Des vierten Schild trieft
giftignass –
das ist der Hass
das ist der Hass
Der fünfte bringt stumm
Wein herein –
das wird der
Weinreinbringer sein.
Beliebt hier sind auch die „Bilden Se mal nen Satz mit …“-Gedichte („Allegorisch: Nichts wird sich ändern hier auf Erden / bevor nicht alle gorisch werden“)
Sehr empfehlenswert ist übrigens seine Abhandlung über Humor, „Was gibt’s denn da zu lachen?“.
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the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellation