Re: Die besten Prestige Alben

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gypsy-tail-wind
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Wieder etwas viel auf’s mal… zuerst hol ich das hier mal vom Sängerinnen-Thread hierhin:

katharsisDazu wollte ich noch anfügen, dass ich damit Nelson als Saxophonisten meinte, weniger den Arrangeur. „Blues and the abstract truth“ ist natürlich eines der besten Jazz-Alben, bei denen sich Nelson nicht zu verstecken braucht (Gibt es davon eigentlich eine CD mit Bonus?). Und einige seiner frühen Prestige-Aufnahmen sind wirklich sehr gut.
Btw., ich kenne das Album nicht; aber Monk vs. Nelson kann ja eigentlich nur schiefgehen!!

Nelson als Saxophonist finde ich immer wieder faszinierend, mit welcher Stringenz und Klarheit er seine Soli baut. Auf „The Blues & The Abstract Truth“ bietet er einen ganz enormen Kontrast zum eruptiven Dolphy und zu Hubbard – äusserst faszinierend!
Die beiden anderen Kollaborationen mit Dolphy brauchen sich da im Vergleich auch nicht zu verstecken, und sie erschienen beide auf Prestige. Das erste mit Richard Williams, das zweite nur mit Dolphy und Nelson, und es ist vielleicht mein liebstes von den dreien – jedenfalls ist es gleich stark wie „The Blues…“!

Was Nelsons eigene Alben betrifft, die muss ich mal wieder hören, kann aus dem Gedächtnis nur sagen, dass ich „Nocturne“ sehr toll, das Album mit Kenny Dorham etwas durchschnittlich fand.

Das Album – und damit geht’s unten weiter – mit Forrest und King Curits kenne ich bisher noch nicht.

katharsisInteressant, dass Du Cobb favorisierst. Ich hatte vor kurzem die Möglichkeit, nahezu alle Prestiges von Cobb kaufen zu können, habe es dann aber gelassen, weil ich das meiste eher langweilig fand. Meist lag das auch an der Begleitung, die ich reichlich oberflächlich empfand. Genau das ist wieder der Pluspunkt der Curtis-Alben. „The new scene“ finde ich da noch ein ganzes Stück besser, als den Nachfolger (der übrigens bei Prestige direkt erschien). Übrigens höre ich ein großes Stück Turrentine bei Curtis, ohne dass er dessen vollen Ton erreicht.
Das Cover des Twofers zeigt Curtis rauchend, das Backcover ist grau.

Ist das denn einer der Fantasy-LP-Twofer? Die waren toll, als LP-Sammler hätte ich wohl einige davon, einer von Griffin und noch einer, an den ich mich nicht mehr erinnern kann, wären derzeit zu haben hier.

Ich weiss genau, was Du meinst bezüglich der Begleitung, kann das auch problemlos nachvollziehen. Aber da ich sehr gerne alle Arten von älterem Jazz mag stört mich die Begleitung etwa durch Wild Bill Davis nicht, auch wenn sie keineswegs inspiriert ist. Mir geht’s eher so, dass ich von den Solisten mehr erwarte, als Curtis auf „The New Scene“ liefert, wenn ich eine dermassen luxuriöse Rhythmusgruppe höre. Also eine Art Ungenügen der Frontleute (Nat war ja nie selber der grosse Solist, er war toll als „foil“ für andere, sei’s Cannonball oder J.J. Johnson oder die diversen Partner auf seinen eigenen Alben – allerdings ist er auf seinem besten, „Work Song“, ja dan doch der alleinige Bläser), die mit der tollen Rhythmusgruppe meinem Empfinden nach nicht genug tolles anstellen können… da ist mir dann die direkte Art der altmodischeren Sessions eines Arnett Cobb, Buddy Tate oder eben besonders Illinois Jacquet lieber.

katharsisBzgl. Edwards: Tja, West Coast Jazz halt. Eine meiner Lücken. Ich werd‘ mich mal nach dem genannten umsehen, nur gibt es eben die „It’s all right“ gerade im Laden nebenan. :-) Ich werde bei Gelegenheit mal reinhören.

Edwards gehört zu den Leuten, die das Etikett lügen strafen. Zudem gehört er schon neben Wardell Gray und Dexter Gordon zur ersten Generation von Boppern in Kalifornien – lange vor’s den „West Coast Jazz“ überhaupt gab.

Andere Exponenten eines „schwarzen“ kalifornischen Jazz, die Dich ganz bestimmt ansprechen würden sind etwa Harold Land („The Fox“), Curtis Amy („Katanga!“ – diese beiden Alben mit dem genialen Trompeter Dupree Bolton), Leroy Vinnegar („Leroy Walks“ und „Leroy Walks Again“, mit Edwards), Carmell Jones (das Mosaic Select!), teils auch Hampton Hawes (etwa auf dem grossartigen „For Real!“ mit Harold Land). Aber dazu kommen wir wie gesagt bald ausführlicher!

katharsis

Und Golson kannte ich hauptsächlich als Sideman, weniger als Leader. Vereinzelt dann schon, aber man findet ja selten LPs von ihm als Leader. Die Betrachtungsweise von ihm, als einem aus der Zeit gefallenen Musiker finde ich recht passend. Irgendeine Art zeitloser Eleganz. Ich mochte ihn bei Blakey schon recht gerne, während ich das Jazztet nicht ganz so bestechend finde.

Kennst Du das Album „Jazztet Meets John Lewis“? Hab ich auch noch auf einem dieser Vinyl-Reissues von Argo mit schwarz/weiss-Cover. Das ist von einer bestechenden Schönheit!
Mir gefällt das kontrollierte in Golson Musik, dass er ein meisterhafter Komponist/Arrangeur ist, dass man das fast immer spürt, dass er in seinem Spiel aber dennoch einen Drive entwickeln kann, der einen ganz unmittelbar mitreisst (mich jedenfalls).
Eins der stärksten Alben, aber wohl für Vinyl-Sammler unmöglich zu finden (?), ist „Benny Golson and the Philadelphians“ auf United Artists, mit Ray Bryant und Lee Morgan. Ein paar seiner Soli dort entwickeln einen Sog, der für mich vergleichbar ist mit den besten Paul Gonsalves-Soli – unglaublich toll, mitreissend, ohne jemals vulgär zu werden (vulgär im Sinne von Jacquet, Phillips, Ventura, Cobb, Tate und all denen). Das hat bei Golson etwas mit seiner Phrasierung zu tun, die aussergewöhnlich flüssig ist und mich oft einfach mitreisst.
Besonders schön sind auch seine beiden Quartett-Alben auf Argo (auch im Mosaic enthalten, ebenso wie Farmers beide tollen Argo Quartett-Alben, und neben den Jazztet-Alben für Argo und Mercury sind überdies auch noch ein paar orchestrale Alben von beiden drin, darunter Golsons witziges „Take a Number from 1 to 10“, von dem ich ebenfalls einen 70er Argo-Reissue mit b/w-Cover besitze).

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