Re: Die besten Prestige Alben

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gypsy-tail-wind
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katharsisWo es hier gerade um den großen Output von Prestige gibt.
Ich bin gestern auf einen Twofer von King Curtis gestoßen, der seine zwei New Jazz Alben enthält – „The new scene“ (dürfte auch unter „King Soul“ auftauchen) und „Soul meeting“.
King Curtis kannte ich vorher gar nicht, allmusic weist ihn jedoch als einen der letzten R&B Tenorsaxophonisten aus. Umso erstaunlicher ist dann die wunderbare Musik, die irgendwo zwischen lupenreinem Hardbop und feinsinnigem Souljazz changiert.
Die Bands sind zudem fantastisch. Auf „New Scene“ ist Nat Adderley an der Trompete zu hören, Wynton Kelly und Paul Chambers sitzen zusammen mit Oliver Jackson in der Rhythmusgruppe, ein Drummer den Curtis offenbar mitbrachte.
Bei dem Nachfolger spielt Adderley Kornett, Sam Jones statt Chambers und Belton Evans sitzt am Schlagzeug.
Beide Alben bieten starke Eigenkompositionen von Curtis und den einen oder anderen Standard. Anspieltip wäre „Dah Duh Dah“, welches sich auch auf dem New Jazz-Sampler finden lässt.
Übrigens ist Curtis noch auf einem New Jazz-Release zu finden, zusammen mit Oliver Nelson und Jimmy Forrest.

Ich kenne nur „The New Scene“ (was ist das für ein Twofer, eins dieser Euro grau-Releases?) und das hat mich nicht so recht überzeugen mögen. Ist irgendwie ähnlich mit Fathead oder auch Houston Person, die auch irgendwo zwischen Jazz und R’n’B stehen – mir ist da manches zu simpel, zu direkt. Da hör ich dann meistens lieber Illinois Jacquet oder Arnett Cobb, wenn ich etwas in der Richtung will.
Von Cobb gibt’s auch ein paar Prestige-Alben, ich habe neulich die OJCCD-Ausgabe von „Blow Arnett, Blow“ mit Eddie „Lockjaw“ Davis und Wild Bill Davis gefunden, das gefällt mir sehr gut!
Curtis hatte allerdings „richtige“ R’n’B Credentials, auch später, als er etwa Aretha Franklins Band leitete, als diese im Fillmore West für Atlantic aufnahm. Grossartig ist auch Curtis‘ Band mit Sam Cooke auf dessen „Live at the Harlem Square Club“. Und sein eigenes Atlantic-Album „Live at Fillmore West“ ist auch voll und ganz R’n’B.

katharsisDann habe ich noch eine Frage nach einer Einschätzung von Teddy Edwards‘ „It’s all right“. Edwards ist mir ebenfalls total unbekannt, die LP sieht aber ganz gut aus. Kennt die jemand?

Teddy Edwards nicht kennen?! Geht nicht!!!
Aber ich würd nicht mit „It’s All Right“ einsteigen sondern eher mit einem der Contemporary-Alben (mehr dazu demnächst in den upcoming West Coast threads!). Edwards war in den 40ern einer der schwarzen Kalifornischen Bopper, hatte dann längere Zeit Probleme (ich glaub nicht nur wegen/mit Drogen sondern auch Zahnprobleme), es gibt daher ein grosses Loch bis in die späten 50er, als er wieder mit seinem alten Freund Howard McGhee aufnahm. Dieses Album würde ich wohl zum Einstieg empfehlen: Together Again! Oder sonst auch sehr zu empfehlen das Pacific Jazz Album Sunset Eyes oder Teddy’s Ready, wieder auf Contemporary.
Edwards hat später u.a. für Steeplechase, Timeless, Muse und High Note aufgenommen und in den 90ern vier schöne Alben für Universal France/Gitanes machen können – auf einem ist auch Tom Waits kurz zu hören, mit dem Edwards in den 80ern auf Tour war.

katharsisAußerdem habe ich mich gestern durch „Gone with Golson“ gehört. Sehr schöne Einspielungen. Sehr geschmackvolle, irgendwie dezente Musik, die aber nie langweilt. Curtis Fuller und Golson ergänzen sich prima und Al Harewoods Stil passt (endlich) gut zum ganzen Album.

Golson! Ja! Die ganze Reihe von Contemporary, Riverside, Prestige und Savoy Alben, die in den späten 50ern enstand, ist sehr hörenswert! Auch das eine unter Lem Winchesters Leitung („Winchester Special“). Ab 1960 war er dann bei Argo, diese Zeit hat Mosaic ja in einem hervorragenden Farmer/Golson Jazztet Set dokumentiert.
Golson wirkt oft wie aus der Zeit gefallen, auch auf Blakeys „Moanin'“ (für das er die musikalische Leitung hatte und die besten Stücke beisteuerte). Mit einem Ton, der aus einer anderen Epoche schien, der ihn aber nie daran hinderte, moderne Ideen adäquat umzusetzen. Vielleicht ein wenig wie Lucky Thompson, der allderings wirklich aus der Zeit gefallen ist…

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