Antwort auf: Die besten Prestige Alben

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Dieser Fantasy CD Twofer von 1994, enthält „Workin‘ & Wailin'“ und „Greasy Kid Stuff!“. Vom ersten Album fehlt leider das Stück „Too Busy Thinking About My Baby“ (es heisst im Booklet, es würde in einem späteren Reissue nachgeliefert, aber soweit ich weiss geschah das nicht, der „Memphis“-Twofer dauert 75 Minuten, falls es dort Platz gehabt hätte: sehr schade… eine CD oder Doppel-CD mit diesen fehlenden Twofer-Tracks hätte ich jedenfalls sehr, sehr gerne!)

Workin‘ & Wailin‘ (Prestige 7687) wurde im Juni 1969 aufgenommen, ein halbes Jahr nach „Rakin‘ and Scrapin'“. George Coleman ist auch hier wieder zu hören, die Band besteht zudem aus Virgil Jones (t), Buster Williams (b) und Idris Muhammad (d). Die Rhythmusgruppe macht mir schon beim schnellen ersten Stück „Strozier’s Mode“ sehr viel mehr Spass. Muhammad – das geht zu oft vergessen! – ist ein hervorragender Drummer auch jenseits von Orgel- und Funk-Jazz. Er spielt dich aber doch ziemlich leicht. Williams hat mehr „boom“ als Cranshaw. Und Virgil Jones hat einen leicht säuerlichen Ton – auch bei ihm macht es Spass, ihn mal jenseits von Orgel-Jazz-Settings zu hören (er taucht auch auf dem 1966er Frank Foster Album „Soul Outing!“ PR 7479 sowie auf dem Album „Black Saint“ von Billy Harper, das dem italienischen Label den Namen gab und dessen erste Veröffentlichung war). Nach einem grossartigen Coleman-Solo, einem bittersüssen von Jones und einem groovenden von Mabern kriegt Muhammad auch schon sein erstes. Sehr schön!

Das zweite Stück ist wieder einem für Mabern wichtigen Musiker gewidmet: „Blues for Phineas“. Mabern spielt den Blues am elektrischen Piano, die Bläser sind auf das Thema und Begleitmotive reduziert. Sehr schön, was Mabern aus dem Fender Rhodes (?) herausholt – die ganze Erdigkeit und der Soul, die sein Spiel auszeichnen, bringt er auch auf dem elektrischen Instrument.
Dazu zitiert Jefffrey Roberts Mabern in den Liner Notes von „A Few Miles from Memphis“ wie folgt:

„One person who completely captivated me was Phineas Newborn,“ he recalls. „I tried to play like him. He’s been my biggest influence. It would still make me most happy if I could get over the piano the way he does. He’s truly a giant when it comes to the piano.

Das dritte Stück, „I Can’t Understand What I See in You“, klingt fast wie eine Instrumental-Version eines Pop-Hits – ist aber auch wieder von Mabern. Die Melodie hat etwas repetitives, liedhaftes, das Thema lebt stark von Muhammads gradem Beat, Coleman spielt ein sehr kontrolliertes Solo hier, an einigen Stellen klingt sein Tenor fast wie ein Alt (er hat ja auch Alt gespielt). Jones mal so richtig zu hören ist eine grosse Freude. Sein Ton ist etwas dünner, blechiger, und eben dieses leicht bittere gefällt mir sehr gut. Maberns eigenes Solo ist sehr repetitiv, lebt von kleinen rhythmischen Verschiebungen und eingestreuten Läufen, sowie von Williams toller Bass-Begleitung. Hier kommt der ganze soulige Groove von Walton wieder zum Vorschein.

Es folgt „Waltzing Westward“, wie der Titel sagt ein Walzer – ein äusserst charmantes Stück, in dem Mabern das erste Solo übernimmt. Williams fällt wieder auf – sehr schön, was er da macht, nichts allzu unkonventionelles, aber doch sehr agil und zugleich mit einem sehr fetten Ton. Die Soli von Coleman und Jones passen gut zum Stück, dann kriegt Williams sein Solo – sehr schön, wie er bei seinem fetten Spiel bleibt und der Versuchung zu glänzen nicht erliegt und eben gerade darum glänzt.

Das fünfte und letzte Stück, „A Time for Love“, ist das einzige, das Mabern nicht selbst komponiert hat – es stammt von Johnny Mandel. Wieder ist Williams im Thema besonders toll, die Linien von Maberns rechter Hand, Jones, Coleman und Williams‘ Bass ergeben ein faszinierendes Geflecht, das aber nie überladen wirkt, sondern die balladeske Stimmung sehr schön zur Geltung bringen.

Das vierte Prestige-Album von Mabern, Greasy Kid Stuff!, wurde im Januar 1970 aufgenommen. Coleman ist nicht mehr dabei, an seine Stelle tritt Hubert Laws (ts,fl). Lee Morgan spielt Trompete, Williams und Muhammad sind wieder dabei, und auf einem Stück stösst Boogaloo Joe Jones an der Gitarre dazu.

Morgans Anwesenheit scheint die Musik nicht unbeeinflusst zu lassen: schon das eröffnende Titelstück „Greasy Kid Stuff“ (mit einem kleinen Aussetzer Morgans gegen Ende des Themas) scheint wie ein Versuch, „The Sidewinder“ zu kopieren. Der 16-taktige Boogaloo-Blues ist zwar sehr viel weniger charmant, aber mit Mabern/Williams sehr viel erdiger als Harris/Cranshaw das je hingekriegt hätten. Williams ist sehr laut im Mix, was mich allerdings gar nicht stört. Laws spielt das erste Solo, lässt sich vom populistischen Setting anfänglich gar nicht beeinflussen, gerät dann aber zwischenzeitlich in einen Strudel aus Trillern, aus dem heraus er mit durchaus funky Phrasen findet. Muhammads Groove ist fett, das perfekte Fundament für diese Art von Souljazz. Bei Morgans Solo wird schnell klar, weshalb er eben doch eine Nummer grösser war als fast alle ungefähr gleichaltrigen Trompeter. Mit unglaublichem Timing spielt er simple Linien, kleine Schlenker, stottert mit Muhammads Snare um die Wette… die grosse Kunst, die als völlig entschlackte Einfachkeit daherkommt (oder doch nur als schlichte Einfältigkeit? Der Grat ist zugegebenermassen dünn). Mabern greift in die Tasten, erinnert mal wieder an Newborn aber auch durchaus an Herbie Hancock im Funk-Modus.

Es folgt das nachdenkliche „I Haven’t Got Anything Better to Do“ (Vance/Pockriss), das Mabern laut Joe Segals Liner Notes von Carmen McRae gehört hat, in einem Arrangement von Benny Carter. Mabern ist der Solist, Laws spielt Flöte. Und Williams überzeugt erneut sehr.

„XKE“ ist Malcolm X, Martin Luther King und Medgar Evers gewidment und beginnt mit einem kurzen Intro von Muhammad, das Thema ist sehr gesanglich, Mabern trägt das nahtlos in sein Solo weiter. Morgan ist lyrisch, flächig, mit einer unglaublichen Nonchalance – aber er kann sich das halt eben erlauben. Laws‘ Tenor klingt gar nicht so anders als Coleman auf den vorangehenden Alben, bloss ein rechtes Stück weniger virtuos.

Mit „Alex the Great“ startet die zweite Hälfte des Albums, über einen Bossa-Beat spielen Morgan und Laws (am Tenor) das Thema, Mabern übernimmt das erste Solo, wieder sehr schön von Williams unterstützt, während Laws für die Riffs zur Flöte greift und Muhammad einen leichten Teppich legt. Laws spielt ein schönes Flötensolo, Morgan nimmt’s wieder enorm gelassen, vor er mit Laws Tenor zum Outro findet – schönes Stück.

Dann folgt ein kleiner Schock: „I Want You Back“, das Stück von den Jackson Five… Williams klingt nach E-Bass, könnte aber auch nur am dreckig-übersteuerten Sound liegen… Mabern hämmert, Jones‘ Gitarre ist im Klangmus kaum auszumachen… doch, er legt einen einzigen Akkord (na ja, er wechselt wohl ein, zweimal innerhalb des Schemas) – nicht grad raffiniert… Die Basslinie trägt mal wieder das Stück, Muhammad trommelt einen Calypso-Beat und kriegt dann ein kurzes Solo… es folgt Morgan – und Jones ist plötzlich zu hören, weil Mabern aussetzt. Die Gitarre spielt aber immer nur die rhythmisierten Akkorde. Und hier, im schlankeren Teil des Stückes, klingt Williams ziemlich eindeutig nach E-Bass (den er ja auch im Mwandishi Sextett von Herbie Hancock gespielt hat). Laws bläst ein erdiges Tenorsolo voller „hooks“. Das macht für sich genommen schon Spass, aber auf diesem Twofer stört es eher… hätte man wohl besser weglassen sollen as das Stück vom ersten Album! (Da hätte dann wohl die Acid-Jazz-Gemeinde aufgeschrien, aber die wollten ja eh Vinyl.)

Zum Abschluss gibt’s dann noch „John Neely – Beautiful People“, ein letztes Mabern-Original. Die Welt ist sofort wieder in Ordnung… Mabern spielt ein zuerst blumig, dann leicht bitteres Intro, das Thema hat einen rollenden Groove, der Anfang der Phrasen klingt leicht nach „Equinox“ von Coltrane. Laws spielt hier Tenor im Thema und dann – nach Mabern – ein sehr, sehr schönes Flötensolo! Es folgt Morgan, dann Williams mit einem ausführlichen, aber völlig übersteuerten Solo, vor Mabern und Muhammad Fours spielen.

In Kürze: das dritte Prestige-Album von Mabern ist möglicherweise (auch in Abwesenheit des sechsten Stückes) sein schönstes, in sich geschlossenstes. Auf dem vierten und letzten finden sich einige sehr, sehr schöne Momente – Hubert Laws vermag am Tenorsax zu überzeugen, das Titelstück macht grossen Spass, und Lee Morgan ist für mich sowieso der beste Trompeter in diesem stilistischen Feld, insgesamt ist das Album aber wohl das unausgegorenste der vier (was ich ohne „I Want You Back“ allerdings nicht so krass behaupten würde). Hörenswert alleweil, aber ich würde wohl den Twofer mit den 1968er Alben zuerst empfehlen.

Nach diesen vier Prestige Alben folgte erst 1980 wieder ein Mabern-Album, „Pisces Calling“, und nach ein paar weiteren Alben nahm Mabern erst in den 90ern wieder regelmässig als Leader auf. Ich kenne von ihm bisher abgesehen von den vier Prestiges nur Don’t Know Why (Venus, 2003 – mit Nat Reeves und Joe Farnsworth). Werde das wohl im Piano-Thread mal vorstellen später.

PS (21.09.2019): inzwischen kam noch Straight Street (DIW, 1989) dazu, das lauwarme Bild von Mabern änderte sich aber nicht wesentlich.

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