Re: Bob Dylan – Christmas In The Heart

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ah-um

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@ otis:

Du siehst also eine in Self Portrait eine „Offenbarung der Orientierungs- und Hilflosigkeit“. Sehe ich auch so. Allerdings sind Orientierungs- und Hilflosigkeit erst mal klar negative Dinge. Für ein Kunstwerk eigentlich ein vernichtendes Urteil. Einem Hilflosen zuzusehen oder -hören ist erstmal etwas Unergötzliches.
Du wendest es aber in etwas Positives, indem du sagst, diese Offenbarung sei gewollt (ein „schonungsloser Offenbarungseid“) und mache sympathisch, weil man sich ja mit der eigenen Orientierungslosigkeit darin wiederfinden könne. Damit fängst du also bereits an, um die Ecke zu denken und bedienst dich im Prinzip jener Argumentationsstruktur, die ich schon oben beim Kollegen nail kritisiert habe.

Ich will nun gar nicht allgemein in Abrede stellen, dass es durchaus künstlerisch überzeugende Präsentationen der eigenen Hilflosigkeit geben kann. Und natürlich haben oftmals gerade das Eingeständnis und die Darstellung von Unzulänglichkeiten ein besonders hohes Identifikationspozential. So manches wird auch durch die Meta-Ebene erst richtig interessant. Die Pet Shop Boys wären ansonsten nicht besser als Modern Talking.

Aber bei Self Portrait kann ich mich naiv stellen oder versuchen, um fünf Ecken zu denken. Es bleibt einfach ein überlanges Stückwerk.
Ich kannte Dylans schwache 80er-Alben übrigens schon bevor ich Self Portrait kannte. Uninspiriert, langweilig und überflüssig sind sie, aber nichts, was mich besonders erregt hätte.
Self Portrait dagegen war ein Schock. Sicherlich auch ein heilsamer, Erwartungshaltung und so, s.o. Trotzdem bleibt es für mich eine richtig misslungene Platte, ein Dokument künstlerischen Scheiterns.

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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)