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Ich hab mir das Album gestern gekauft, zweimal angehört und für die nächsten zwei Monate gut verstaut (alles andere wäre dann doch ein bisschen too much).
Die Frage ob es sinnvoll und/oder satirisch ist, ein Weihnachtsalbum „retro“ anzulegen, ist insofern absurd, als das Genre „Weihnachtsalbum“ als solches natürlich aufs Engste mit 50er und 60er Jahre Fernseh-Weihnachtsspecials und überhaupt einer bestimmten Zeit verbunden ist, die … einfach vorbei ist, ums mal nüchtern auszudrücken. Ein Vergleich: Es fragt ja auch niemand, ob eine heute gebaute Dampflokomotive moderner oder origineller hätte ausfallen müssen. Also: Wer A sagt muss auch B sagen. Wer ein Weihnachtsalbum macht, muss (zumindest in den USA) auch Silver Bells und Winter Wonderland singen. So gesehen ist auf einer Weihnachtsplatte kein Platz für Großtaten und zeitgenössische Populärmusik – das würde einfach das Format sprengen. Have yourself a merry little Christmas …. um mehr geht es nicht und das ist schwierig genug.
Und Dylan erledigt die selbst gestellte Aufgabe (Ein Weihnachtsalbum einspielen) meines Erachtens – mit dem ihm zur Verfügung stehenden gesanglichen Mitteln – ganz gut und offensichtlich mit einem gehörigen Maß an Witz und Spielfreude. Zynismus kann ich da nirgends heraushören, was wäre das auch für ein Zynismus, der so viel Liebe ins Arrangement steckt. Wäre er zynisch an die Sache herangegangen, hätte er die Scheibe vermutlich alleine mit Mundharmonika und Wanderklampfe eingespielt.
Mein erstes Fazit: eine sehr nette und liebevoll eingespielte Weihnachtsplatte für einen wohltätigen Zweck – zumindest was die Künstlertantiemen betrifft. Form und Inhalt gehen wunderbar zusammen, was ja auch ein Qualitätsmerkmal ist. Dylans Biedermeieralbum oder anders gesagt: Ein Weihnachtsalbum ist ein Weihnachtsalbum ist ein Weihnachtsalbum.
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If you dance, you might understand the words better. David Byrne