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Whole Lotta PeteOk – unerwarteterweise ist folgendes geschehen: Folge 5 hat mich total angeödet und streckenweise auch geärgert, Folge 6 hab ich mich Interesse verfolgt.
Wie es dazu kam? Gothic und Industrial waren nicht so gut aufbereitet, ich konnte nicht recht folgen. Statt die Entwicklung nachvollziehbar darzustellen, wurde oft irgendwelches Kunst-Gequatsche eingeblendet. Killing Joke & Co waren ganz gut dabei, eine Menge andere Interviewpartner nicht. Gegenüber gestellt werden sollte u.a. die Aerobic-Welle, was viel zu lang ausgedehnt und wenig unterhaltsam war.
Offenbar das bekannte „Problem“ wie schon bei den Postpunk-/Synthpop-Folgen. Nach all den Jahren voller breitem Verdrängen, Schweigen, Unkenntnis und Unverständnis gegenüber der Materie plötzlich eine für jeden halbwegs Interessierten eine profunde und allumfassende Doku mit nur 1 Stunde Sendezeit zusammenzuschustern ist verdammt schwer.
Deshalb möchte ich mich nicht darüber beklagen, wer mir persönlich fehlte (da könnte ich eine ellenlange Liste anlegen – was allerdings auch wenig hilfreich wäre, denn welchen Stellenwert haben denn z.B. Bands wie die Sex Gang Children, The Danse Society oder Z’ev überhaupt heute noch…?), sondern Kritik daran üben, daß die Entstehungsgeschichte und die Beweggründe für derart signifikante und bedeutungsschwangere Szenen und Genres wie Goth und Industrial nicht ausführlicher und plausibel nachvollziehbar geschildert wurden. Klar, mir muß man darüber nichts neues erzählen – aber (wie schon zuvor gesagt) ich bin auch als (ehemaliger) Involvierter nicht unbedingt darüber via TV zu unterrichten…
Sydne Rome (+ Tokio Hotel hörende Tochter – wen interessiert das eigentlich? Hallo? Tokio Hotel + 80s Goth/Industrial = gewagte Verbindungslinie) war daher eine Lachnummer, bzw. eigentlich gar nicht zum Lachen, sondern einfach nur als viert-, bzw. fünftklassiger (eventueller!) Grund an den Haaren herbeigezogen, als Begründung des als Trauerkloß oder härteposenden Industrialnerd herumlaufenden Szenegängers(?) Weil der Kontrast so schön krass ist? Ach, herrjeh… – wie abgeschmackt! Wegen Aerobicwelle und Dauerwellentussis in Leggings zog ich mir jedenfalls keine schwarzen Klamotten an und hörte plötzlich The Cure… Zum Glück kam das zumindest in der Doku auch sehr gut rüber, daß der damaligen Goth-Szene S. Rome am Arsch vorbeiging.
O.k., da hatten die Ausführungen von Richard H. Kirk (CabVolt) und Jaz Coleman schon durchaus erhellendere Züge, der kurze Hinweis auf Nato-Doppelbeschluß und Endzeitängste (ausgerechnet) im Zusammenhang mit Celtic Frost waren auch zumindest ein Fingerzeig. Aber die schwere Kindheit des Celtic Frost-Sängers dürfte auch eher die Ausnahme sein, rekrutierten sich Goth- und Industrial-Kids doch in vielen Fällen eher aus einer gut situierten Mittelstandsschicht (zumindest was mein Umfeld anging…). Das Geld für die Klamotten und die ganzen Platten musste ja irgendwo her kommen…
Vielmehr prägte die Szene der Anfangstage Existenzialismus, (oftmals lediglich zur Schau gestellter) Nihilismus, Kunstbeflissenheit und (damals schicke) Zukunftsangst. Man konnte prima ins eigene (ver-, bzw. zweifelnde) Ich abtauchen (sowas wie „Atrocity Exhibition“ von Joy Division stand hierfür gerne Pate…) und sich mit Philosophen, Dichtern und Denkern der vorherigen Jahrhunderte (mehr oder weniger) befassen. Die einschlägigen Bands gaben ja schliesslich die gewünschten Quellen preis…
Nun, lange Rede, kurzer Sinn: Warum wurde nicht genauer beleuchtet, wie es zu Songtexten a la „It doesn’t matter if we all die“, „We’re a blank Generation in a danger zone“, „Deine Qual ist meine Lust“, „Kill Kill Kill for inner peace“ oder „Icons feed the fires, Icons falling from the spires“, etc. kam? Warum fielen kein einziges Mal die Worte „Velvet Underground“? Und warum montierte man so halbherzig (Death) Metal dazu? Metal spielte im Goth und Industrial doch erst ab den Neunzigern eine größere Rolle – und auch dieser Schulterschluß wurde von der Mehrheit der Szene eher abgelehnt.
Klar dürfte allerdings geworden sein, daß die aktuelle „Generation Goth“ eine anachronistische und unglaubwürdige Veranstaltung geworden ist – was aber mein Reden (auch hier im Forum) seit geraumer Zeit ist.
Versöhnend der Schluß: der Schrei von „Subway Song“ – man weiß nie, was über einen herfallen kann, auch Goth ist davor nicht gefeit…
Ach ja, die Frau Huwe noch. Schätzte X-mal D schon immer, gerade die kühle haneseatische Arroganz von Anja Huwe hatte was. Für Teipels „Verschwende Deine Jugend“-Buch stand sie ja nicht zur Verfügung, da sie angeblich mit der Vergangenheit abgeschlossen hätte. Dieser Sinneswandel: vielleicht wollte sie diesmal auch nur ein wenig Werbung für ihre Bilder machen (die ich so schlecht wirklich nicht fand). Aber ich gestehe ihr die Schrulle zu, sollen Künstler so an sich haben, sagt man. Lieber Farben und Musik malen, als sie schlecht in hörbarer Version zu machen. Und das taten und tun noch immer sehr viele Musizierende…
Und: Beruhigend, daß Joy Division nicht (wie schon so oft geschehen) einfach in „Goth“ eingemeindet wurde, obwohl der Begriff auf eine Äusserung von Martin Hannett bezüglich des Sound der Band zurückzuführen ist…
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad